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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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sung es war: wer seinen Eltern nicht folgt,
folgt dem Kalbfell
. --

Ich studirte in Göttingen Kriegskunst.
Kriegskunst? -- Das war ein Wort für
Mauchen. Die Kriegskunst und Urias? aber
du guter Mancher! Lernt man denn die
Kriegskunst für sich, oder für andere, und
steh' ich denn mit dem Urias eben in einem
Gliede? Wagen kann der Mensch sich selbst;
umbringen muß er sich nicht. --

Die Hoch und wohlgeordnete und eben so
auch verordnete Bibliothek in Göttingen ist
nicht ein Schatz für Motten und Rost, wor-
nach höchstens die Diebe graben und stehlen.
Sie ist ein öffentliches Haus, wo jeder einen
Zutritt hat. Die Bemerkung meines Vaters
wie wahr! Eine Universität und keine Bib-
liothek, ist ein Weinhaus ohne Keller -- da
geh' ich doch hundertmal lieber in einen Kel-
ler, so finster es auch drinn aussieht, und so
schwer herabzusteigen er auch ist, und trinke
die Gabe Gottes frisch und kräftig, fast wie
an der Quelle, lieber, sag' ich, als daß ich in
manchem prächtigen Auditorio lange gestan-
denen warmgewordenen Wein aus einem be-
griffenen Geschirr trinken sollte. Das Ge-
schirr mag patriarchalisch, griechisch, gothisch,

oder

ſung es war: wer ſeinen Eltern nicht folgt,
folgt dem Kalbfell
. —

Ich ſtudirte in Goͤttingen Kriegskunſt.
Kriegskunſt? — Das war ein Wort fuͤr
Mauchen. Die Kriegskunſt und Urias? aber
du guter Mancher! Lernt man denn die
Kriegskunſt fuͤr ſich, oder fuͤr andere, und
ſteh’ ich denn mit dem Urias eben in einem
Gliede? Wagen kann der Menſch ſich ſelbſt;
umbringen muß er ſich nicht. —

Die Hoch und wohlgeordnete und eben ſo
auch verordnete Bibliothek in Goͤttingen iſt
nicht ein Schatz fuͤr Motten und Roſt, wor-
nach hoͤchſtens die Diebe graben und ſtehlen.
Sie iſt ein oͤffentliches Haus, wo jeder einen
Zutritt hat. Die Bemerkung meines Vaters
wie wahr! Eine Univerſitaͤt und keine Bib-
liothek, iſt ein Weinhaus ohne Keller — da
geh’ ich doch hundertmal lieber in einen Kel-
ler, ſo finſter es auch drinn ausſieht, und ſo
ſchwer herabzuſteigen er auch iſt, und trinke
die Gabe Gottes friſch und kraͤftig, faſt wie
an der Quelle, lieber, ſag’ ich, als daß ich in
manchem praͤchtigen Auditorio lange geſtan-
denen warmgewordenen Wein aus einem be-
griffenen Geſchirr trinken ſollte. Das Ge-
ſchirr mag patriarchaliſch, griechiſch, gothiſch,

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[14/0022] ſung es war: wer ſeinen Eltern nicht folgt, folgt dem Kalbfell. — Ich ſtudirte in Goͤttingen Kriegskunſt. Kriegskunſt? — Das war ein Wort fuͤr Mauchen. Die Kriegskunſt und Urias? aber du guter Mancher! Lernt man denn die Kriegskunſt fuͤr ſich, oder fuͤr andere, und ſteh’ ich denn mit dem Urias eben in einem Gliede? Wagen kann der Menſch ſich ſelbſt; umbringen muß er ſich nicht. — Die Hoch und wohlgeordnete und eben ſo auch verordnete Bibliothek in Goͤttingen iſt nicht ein Schatz fuͤr Motten und Roſt, wor- nach hoͤchſtens die Diebe graben und ſtehlen. Sie iſt ein oͤffentliches Haus, wo jeder einen Zutritt hat. Die Bemerkung meines Vaters wie wahr! Eine Univerſitaͤt und keine Bib- liothek, iſt ein Weinhaus ohne Keller — da geh’ ich doch hundertmal lieber in einen Kel- ler, ſo finſter es auch drinn ausſieht, und ſo ſchwer herabzuſteigen er auch iſt, und trinke die Gabe Gottes friſch und kraͤftig, faſt wie an der Quelle, lieber, ſag’ ich, als daß ich in manchem praͤchtigen Auditorio lange geſtan- denen warmgewordenen Wein aus einem be- griffenen Geſchirr trinken ſollte. Das Ge- ſchirr mag patriarchaliſch, griechiſch, gothiſch, oder

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/22>, abgerufen am 25.04.2024.