Vorgange, daß er ungekünstelt, unvorberei- tet war.
Noch einen dergleichen muß ich nachholen. Den Abend vor dem Begräbniß versammleten sich die besten Sänger und Sängerinnen im Dorfe, und sangen vor dem Trauerhause das Todtenlied, so ich meinen Lesern in einer Ue- bersetzung mitzutheilen nicht anstehen kann:
Todtenglocken! Klaget, klaget laut, und wimmert nicht so dumpfig, so innerlich, daß es Mark und Bein durchtönt! Ruft es aus, damit jedes, klein und groß, wisse, woran es sey: Vater todt, Mutter todt! Unsere Kirche eine Vater- und Mutterlose Wayse! Armes Weib! die noch gern gebähren wolte, damit unsere Kirchenmutter ihre Hand auf das Knäbchen lege und es einsegne, du kamst zu spät! Ihre Hand ist eiskalt! Nicht ein Tropfen warmer Segen ist drinn. Sie hat ihn keinem entzogen, der seinen Kopf darreichte! -- Wir fühlen noch alle die Stelle, wo ihre milde Hand lag! Wer wird nun unsern Kleinen Honigbrod geben, wenn sie den Glauben beten? Wer
wird
Vorgange, daß er ungekuͤnſtelt, unvorberei- tet war.
Noch einen dergleichen muß ich nachholen. Den Abend vor dem Begraͤbniß verſammleten ſich die beſten Saͤnger und Saͤngerinnen im Dorfe, und ſangen vor dem Trauerhauſe das Todtenlied, ſo ich meinen Leſern in einer Ue- berſetzung mitzutheilen nicht anſtehen kann:
Todtenglocken! Klaget, klaget laut, und wimmert nicht ſo dumpfig, ſo innerlich, daß es Mark und Bein durchtoͤnt! Ruft es aus, damit jedes, klein und groß, wiſſe, woran es ſey: Vater todt, Mutter todt! Unſere Kirche eine Vater- und Mutterloſe Wayſe! Armes Weib! die noch gern gebaͤhren wolte, damit unſere Kirchenmutter ihre Hand auf das Knaͤbchen lege und es einſegne, du kamſt zu ſpaͤt! Ihre Hand iſt eiskalt! Nicht ein Tropfen warmer Segen iſt drinn. Sie hat ihn keinem entzogen, der ſeinen Kopf darreichte! — Wir fuͤhlen noch alle die Stelle, wo ihre milde Hand lag! Wer wird nun unſern Kleinen Honigbrod geben, wenn ſie den Glauben beten? Wer
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Vorgange, daß er ungekuͤnſtelt, unvorberei-
tet war.
Noch einen dergleichen muß ich nachholen.
Den Abend vor dem Begraͤbniß verſammleten
ſich die beſten Saͤnger und Saͤngerinnen im
Dorfe, und ſangen vor dem Trauerhauſe das
Todtenlied, ſo ich meinen Leſern in einer Ue-
berſetzung mitzutheilen nicht anſtehen kann:
Todtenglocken! Klaget, klaget laut, und
wimmert nicht ſo dumpfig, ſo innerlich,
daß es Mark und Bein durchtoͤnt! Ruft
es aus, damit jedes, klein und groß, wiſſe,
woran es ſey: Vater todt, Mutter todt!
Unſere Kirche eine Vater- und Mutterloſe
Wayſe!
Armes Weib! die noch gern gebaͤhren wolte,
damit unſere Kirchenmutter ihre Hand
auf das Knaͤbchen lege und es einſegne, du
kamſt zu ſpaͤt! Ihre Hand iſt eiskalt! Nicht
ein Tropfen warmer Segen iſt drinn. Sie
hat ihn keinem entzogen, der ſeinen Kopf
darreichte! — Wir fuͤhlen noch alle die
Stelle, wo ihre milde Hand lag!
Wer wird nun unſern Kleinen Honigbrod
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/128>, abgerufen am 24.11.2024.
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