sagte sie, Er, Amen! Er legte sie in die Agende. Sie fieng ihm noch einmahl zu danken an! Es ist sehr rührend, wenn ein Sterbender dankt. Gemeinhin ist sonst der Dank eigennützig -- Der Pastor lies sie nicht ausdanken, sondern drückte ihr die Hand, und gieng mit den Worten von dan- nen -- In Ewigkeit -- Sie noch ein Amen! --
Man hat nie erfahren, was in dieser Schrift mit den dreyen Siegeln gewesen. So viel ist gewis, daß sie mehr enthalten, als die Zeitungsnachricht, wer Pastor wer- den würde. Der gute Vicar ist nach dem siebenten Tage von dem Begräbnisse meiner Mutter an gerechnet ein ganz anderer Mann in Gedanken, Gebehrden, Worten und Wer- ken worden. Es schien, als hätt' er einen Pränumerationsschein auf einige künftige Fälle erhalten. An die Frau v -- b -- war in dieser Schrift gedacht. Warum denn nicht an mich? -- Warum für mich nicht auch eine anekhou kai apekhou mit dreyen Sie- geln, sieben Tage nach dem mütterlichen Be- gräbnisse zu eröfnen? -- Meine Mutter hatte herzlich gewünscht, daß das heilige Abendmahl ihre letzte Speise seyn möchte auf
dieser
ſagte ſie, Er, Amen! Er legte ſie in die Agende. Sie fieng ihm noch einmahl zu danken an! Es iſt ſehr ruͤhrend, wenn ein Sterbender dankt. Gemeinhin iſt ſonſt der Dank eigennuͤtzig — Der Paſtor lies ſie nicht ausdanken, ſondern druͤckte ihr die Hand, und gieng mit den Worten von dan- nen — In Ewigkeit — Sie noch ein Amen! —
Man hat nie erfahren, was in dieſer Schrift mit den dreyen Siegeln geweſen. So viel iſt gewis, daß ſie mehr enthalten, als die Zeitungsnachricht, wer Paſtor wer- den wuͤrde. Der gute Vicar iſt nach dem ſiebenten Tage von dem Begraͤbniſſe meiner Mutter an gerechnet ein ganz anderer Mann in Gedanken, Gebehrden, Worten und Wer- ken worden. Es ſchien, als haͤtt’ er einen Praͤnumerationsſchein auf einige kuͤnftige Faͤlle erhalten. An die Frau v — b — war in dieſer Schrift gedacht. Warum denn nicht an mich? — Warum fuͤr mich nicht auch eine ανέχου και απέχου mit dreyen Sie- geln, ſieben Tage nach dem muͤtterlichen Be- graͤbniſſe zu eroͤfnen? — Meine Mutter hatte herzlich gewuͤnſcht, daß das heilige Abendmahl ihre letzte Speiſe ſeyn moͤchte auf
dieſer
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ſagte ſie, Er, Amen! Er legte ſie in die
Agende. Sie fieng ihm noch einmahl zu
danken an! Es iſt ſehr ruͤhrend, wenn ein
Sterbender dankt. Gemeinhin iſt ſonſt der
Dank eigennuͤtzig — Der Paſtor lies ſie
nicht ausdanken, ſondern druͤckte ihr die
Hand, und gieng mit den Worten von dan-
nen — In Ewigkeit — Sie noch ein
Amen! —
Man hat nie erfahren, was in dieſer
Schrift mit den dreyen Siegeln geweſen.
So viel iſt gewis, daß ſie mehr enthalten,
als die Zeitungsnachricht, wer Paſtor wer-
den wuͤrde. Der gute Vicar iſt nach dem
ſiebenten Tage von dem Begraͤbniſſe meiner
Mutter an gerechnet ein ganz anderer Mann
in Gedanken, Gebehrden, Worten und Wer-
ken worden. Es ſchien, als haͤtt’ er einen
Praͤnumerationsſchein auf einige kuͤnftige
Faͤlle erhalten. An die Frau v — b — war
in dieſer Schrift gedacht. Warum denn
nicht an mich? — Warum fuͤr mich nicht
auch eine ανέχου και απέχου mit dreyen Sie-
geln, ſieben Tage nach dem muͤtterlichen Be-
graͤbniſſe zu eroͤfnen? — Meine Mutter
hatte herzlich gewuͤnſcht, daß das heilige
Abendmahl ihre letzte Speiſe ſeyn moͤchte auf
dieſer
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/118>, abgerufen am 24.11.2024.
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