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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Ende -- Nach mancherley Herzensnöthen
schloß meine Mutter mit den Worten: Gott
helfe meiner Schwachheit, Amen
! Alles
andere war in Verhältnis gegen Minen, wie
Worte gegen Sachen, wie das Haupt gegen
seine Glieder -- Mine war oben drauf --

Wenn ich diese Beichte, die meine Mutter
nicht ins Ohr, sondern laut ablegte, mit-al-
len ihren Punkten und Clauseln erhalten, wie
gern gäb' ich sie meinen Lesern! -- Mit wel-
cher Inbrunst empfieng sie die Communion!
Sie aß und trank Trost und Beruhigung.
Von der Minute, da sie das Nachtmahl em-
pfangen, klagte sie nicht mehr über Angst, als
in den vorletzten Augenblicken ihres Lebens.
Die Worte Christi beym Lukas im zwey und
zwanzigsten Capitel, die er kurz vor dem
Abendmahl sprach, wie rührend sagte sie ihm
meine Mutter nach: Mich hat herzlich ver-
langet, dies Osterlamm mit euch zu essen, ehe
denn ich leide, denn ich sage euch, daß ich hin-
fort nicht mehr davon essen werde -- Man
sah, daß sie mit der Seele aß -- den Herr-
mann
hatte sie zu dieser heiligen Handlung
bitten lassen, der aber nicht den Judas beym
ersten Abendmahl machte, sondern den Pe-
trus, welcher, nachdem er beym Caminfeuer

in
G 4

Ende — Nach mancherley Herzensnoͤthen
ſchloß meine Mutter mit den Worten: Gott
helfe meiner Schwachheit, Amen
! Alles
andere war in Verhaͤltnis gegen Minen, wie
Worte gegen Sachen, wie das Haupt gegen
ſeine Glieder — Mine war oben drauf —

Wenn ich dieſe Beichte, die meine Mutter
nicht ins Ohr, ſondern laut ablegte, mit-al-
len ihren Punkten und Clauſeln erhalten, wie
gern gaͤb’ ich ſie meinen Leſern! — Mit wel-
cher Inbrunſt empfieng ſie die Communion!
Sie aß und trank Troſt und Beruhigung.
Von der Minute, da ſie das Nachtmahl em-
pfangen, klagte ſie nicht mehr uͤber Angſt, als
in den vorletzten Augenblicken ihres Lebens.
Die Worte Chriſti beym Lukas im zwey und
zwanzigſten Capitel, die er kurz vor dem
Abendmahl ſprach, wie ruͤhrend ſagte ſie ihm
meine Mutter nach: Mich hat herzlich ver-
langet, dies Oſterlamm mit euch zu eſſen, ehe
denn ich leide, denn ich ſage euch, daß ich hin-
fort nicht mehr davon eſſen werde — Man
ſah, daß ſie mit der Seele aß — den Herr-
mann
hatte ſie zu dieſer heiligen Handlung
bitten laſſen, der aber nicht den Judas beym
erſten Abendmahl machte, ſondern den Pe-
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[103/0109] Ende — Nach mancherley Herzensnoͤthen ſchloß meine Mutter mit den Worten: Gott helfe meiner Schwachheit, Amen! Alles andere war in Verhaͤltnis gegen Minen, wie Worte gegen Sachen, wie das Haupt gegen ſeine Glieder — Mine war oben drauf — Wenn ich dieſe Beichte, die meine Mutter nicht ins Ohr, ſondern laut ablegte, mit-al- len ihren Punkten und Clauſeln erhalten, wie gern gaͤb’ ich ſie meinen Leſern! — Mit wel- cher Inbrunſt empfieng ſie die Communion! Sie aß und trank Troſt und Beruhigung. Von der Minute, da ſie das Nachtmahl em- pfangen, klagte ſie nicht mehr uͤber Angſt, als in den vorletzten Augenblicken ihres Lebens. Die Worte Chriſti beym Lukas im zwey und zwanzigſten Capitel, die er kurz vor dem Abendmahl ſprach, wie ruͤhrend ſagte ſie ihm meine Mutter nach: Mich hat herzlich ver- langet, dies Oſterlamm mit euch zu eſſen, ehe denn ich leide, denn ich ſage euch, daß ich hin- fort nicht mehr davon eſſen werde — Man ſah, daß ſie mit der Seele aß — den Herr- mann hatte ſie zu dieſer heiligen Handlung bitten laſſen, der aber nicht den Judas beym erſten Abendmahl machte, ſondern den Pe- trus, welcher, nachdem er beym Caminfeuer in G 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/109>, abgerufen am 23.11.2024.