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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Hemde zum Fest erklären wollen, als eine
Sache, die seyn und nicht seyn kann, warum
solten wir aber dieses Zeichen der Erniedri-
gung weglassen, und nicht vielmehr, bey die-
sem Fußbad, an die Reinigung der Seelen
denken, ohne welche Niemand Gottes Ange-
sicht schauen wird! -- Meine Mutter, wie
die Pastorwittwe, eines Mannes Weib be-
merkt, war hier nachgebender, als sie es wohl
in gesunden Tagen gewesen. Die Mennoni-
sten kamen besser weg, als man denken sollen.
Sie nannte sie sonst Fußwäscher und behaup-
tete, daß sie wegen ihrer Agapen oder Liebes-
mähler sich den christlichen Magen verdorben
hätten. Jezt gar anders. Wenn gleich sie
ihnen nicht den Beynamen der Honigbienen
des Staats bewilligte, womit man sie wegen
ihres Fleißes und ihrer Sparsamkeit zu beeh-
ren pflegt, vielmehr es sich ziemlich deutlich
merken ließ, daß sie ungelehrte, oder, wie sies
nannte, plattdeutsche Socinianer wären; so
richtete sie dennoch nicht, um auch nicht ge-
richtet zu werden -- Fasten und leiblich sich
bereiten, sagte sie, bleibt beym Nachtmahl
eine feine äußerliche Zucht, aber der ist recht
würdig und wohlgeschickt, der die Worte für
euch versteht! -- Für Euch! Nach dem vol-

len-
G 3

Hemde zum Feſt erklaͤren wollen, als eine
Sache, die ſeyn und nicht ſeyn kann, warum
ſolten wir aber dieſes Zeichen der Erniedri-
gung weglaſſen, und nicht vielmehr, bey die-
ſem Fußbad, an die Reinigung der Seelen
denken, ohne welche Niemand Gottes Ange-
ſicht ſchauen wird! — Meine Mutter, wie
die Paſtorwittwe, eines Mannes Weib be-
merkt, war hier nachgebender, als ſie es wohl
in geſunden Tagen geweſen. Die Mennoni-
ſten kamen beſſer weg, als man denken ſollen.
Sie nannte ſie ſonſt Fußwaͤſcher und behaup-
tete, daß ſie wegen ihrer Agapen oder Liebes-
maͤhler ſich den chriſtlichen Magen verdorben
haͤtten. Jezt gar anders. Wenn gleich ſie
ihnen nicht den Beynamen der Honigbienen
des Staats bewilligte, womit man ſie wegen
ihres Fleißes und ihrer Sparſamkeit zu beeh-
ren pflegt, vielmehr es ſich ziemlich deutlich
merken ließ, daß ſie ungelehrte, oder, wie ſies
nannte, plattdeutſche Socinianer waͤren; ſo
richtete ſie dennoch nicht, um auch nicht ge-
richtet zu werden — Faſten und leiblich ſich
bereiten, ſagte ſie, bleibt beym Nachtmahl
eine feine aͤußerliche Zucht, aber der iſt recht
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len-
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[101/0107] Hemde zum Feſt erklaͤren wollen, als eine Sache, die ſeyn und nicht ſeyn kann, warum ſolten wir aber dieſes Zeichen der Erniedri- gung weglaſſen, und nicht vielmehr, bey die- ſem Fußbad, an die Reinigung der Seelen denken, ohne welche Niemand Gottes Ange- ſicht ſchauen wird! — Meine Mutter, wie die Paſtorwittwe, eines Mannes Weib be- merkt, war hier nachgebender, als ſie es wohl in geſunden Tagen geweſen. Die Mennoni- ſten kamen beſſer weg, als man denken ſollen. Sie nannte ſie ſonſt Fußwaͤſcher und behaup- tete, daß ſie wegen ihrer Agapen oder Liebes- maͤhler ſich den chriſtlichen Magen verdorben haͤtten. Jezt gar anders. Wenn gleich ſie ihnen nicht den Beynamen der Honigbienen des Staats bewilligte, womit man ſie wegen ihres Fleißes und ihrer Sparſamkeit zu beeh- ren pflegt, vielmehr es ſich ziemlich deutlich merken ließ, daß ſie ungelehrte, oder, wie ſies nannte, plattdeutſche Socinianer waͤren; ſo richtete ſie dennoch nicht, um auch nicht ge- richtet zu werden — Faſten und leiblich ſich bereiten, ſagte ſie, bleibt beym Nachtmahl eine feine aͤußerliche Zucht, aber der iſt recht wuͤrdig und wohlgeſchickt, der die Worte fuͤr euch verſteht! — Fuͤr Euch! Nach dem vol- len- G 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/107>, abgerufen am 23.11.2024.