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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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chem er in den Kelch der Bitterkeit sahe, als
wolt' er die Tropfen auszählen. Kanst du sie
zählen, hies es zu Abraham, da ihm die
Milchstraße am Himmel gewiesen und die
Versicherung in forma probante behändigt
ward: also soll auch dein Saame seyn --

Die Liebe war eine junge liebenswürdige
Mutter, (das schönste in der Natur) ein Kind
an ihrer Brust, eins lag ihr auf der Schul-
ter und küste sie mit Inbrunst. Noch war
ein Kind, dem sie drohend ihre rechte Hand
reichte. O wie drohete sie! Allerliebst. Oben
stand:
Stärker, als der Tod!

Die Liebe ist sehr beschäftigt, sagte der
Graf! Sie hat alle Hände voll; die wird
wohl jeder kennen! --

Die Hofnung war eine Gesegnete, eine
der Entbindung nahe. Das Kind sprang ihr
im Leibe, wie der Elisabeth, und doch sah
man ihr einigen Kummer an. Sie zählte
die Monden. Sie hatte sich auf einen Anker
gelehnt. Sie lag fast ganz darauf. -- In
der einen Hand hatte sie ein postfliegendes
Noatäubchen. Den Kopf hielt sie in die
Höhe, als ob sie wissen wolte, wie weit von
ihr zur Erfüllung wäre, vom Ja zum Amen.

Die

chem er in den Kelch der Bitterkeit ſahe, als
wolt’ er die Tropfen auszaͤhlen. Kanſt du ſie
zaͤhlen, hies es zu Abraham, da ihm die
Milchſtraße am Himmel gewieſen und die
Verſicherung in forma probante behaͤndigt
ward: alſo ſoll auch dein Saame ſeyn —

Die Liebe war eine junge liebenswuͤrdige
Mutter, (das ſchoͤnſte in der Natur) ein Kind
an ihrer Bruſt, eins lag ihr auf der Schul-
ter und kuͤſte ſie mit Inbrunſt. Noch war
ein Kind, dem ſie drohend ihre rechte Hand
reichte. O wie drohete ſie! Allerliebſt. Oben
ſtand:
Staͤrker, als der Tod!

Die Liebe iſt ſehr beſchaͤftigt, ſagte der
Graf! Sie hat alle Haͤnde voll; die wird
wohl jeder kennen! —

Die Hofnung war eine Geſegnete, eine
der Entbindung nahe. Das Kind ſprang ihr
im Leibe, wie der Eliſabeth, und doch ſah
man ihr einigen Kummer an. Sie zaͤhlte
die Monden. Sie hatte ſich auf einen Anker
gelehnt. Sie lag faſt ganz darauf. — In
der einen Hand hatte ſie ein poſtfliegendes
Noataͤubchen. Den Kopf hielt ſie in die
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[59/0065] chem er in den Kelch der Bitterkeit ſahe, als wolt’ er die Tropfen auszaͤhlen. Kanſt du ſie zaͤhlen, hies es zu Abraham, da ihm die Milchſtraße am Himmel gewieſen und die Verſicherung in forma probante behaͤndigt ward: alſo ſoll auch dein Saame ſeyn — Die Liebe war eine junge liebenswuͤrdige Mutter, (das ſchoͤnſte in der Natur) ein Kind an ihrer Bruſt, eins lag ihr auf der Schul- ter und kuͤſte ſie mit Inbrunſt. Noch war ein Kind, dem ſie drohend ihre rechte Hand reichte. O wie drohete ſie! Allerliebſt. Oben ſtand: Staͤrker, als der Tod! Die Liebe iſt ſehr beſchaͤftigt, ſagte der Graf! Sie hat alle Haͤnde voll; die wird wohl jeder kennen! — Die Hofnung war eine Geſegnete, eine der Entbindung nahe. Das Kind ſprang ihr im Leibe, wie der Eliſabeth, und doch ſah man ihr einigen Kummer an. Sie zaͤhlte die Monden. Sie hatte ſich auf einen Anker gelehnt. Sie lag faſt ganz darauf. — In der einen Hand hatte ſie ein poſtfliegendes Noataͤubchen. Den Kopf hielt ſie in die Hoͤhe, als ob ſie wiſſen wolte, wie weit von ihr zur Erfuͤllung waͤre, vom Ja zum Amen. Die

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/65>, abgerufen am 23.11.2024.