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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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nommen ist nur der Umstand verehrungs-
werth, daß wir nicht stecken bleiben -- daß
es so aussieht, als lebten wir in eins weg. --
Des Thomas Morus lezte Worte sahen wie
Tischreden aus, und wahrlich, er starb wie
ein Mann. So bald, sagte der Graf, ich ei-
nen leichtsinnig sterben sehe, der so lebte --
sage man mir nichts über den Leichtsinn; ich
nehme dieses Wort im guten Sinn. Man
könnte diesen Sinn, um ihn zu verstehen,
auch Leichtsinn nennen. -- Noch hab' ich der-
gleichen Sterbende nicht gefunden. Denn
Witz und Sinne sind in einem besondern ge-
heimen Einverständnis. -- Bevor die Fra-
ge: wie wir starben? beantwortet wird,

sagte Epaminondas, kann man nicht sagen,
wer von uns die meiste Achtung ver-
dient.
-- Niemand ist vor seinem Tode
glücklich, Niemand bey seinem Leben gros. --
Mensch bedenke das Ende! Aber! fieng der
Graf an, und wandte sich an mich, warum
so viel Leid um unsere Todten? Sie gehen
keinen Schritt vorwärts und werden vom
Schmerz angehalten, so bald der Name Mine
vorkommt. Ich habe viel äussere Trauer an
mir, als da sind z. E. die Plerösen an meinen
Briefen -- und mich hält nichts an, und was

eigent-
C 5

nommen iſt nur der Umſtand verehrungs-
werth, daß wir nicht ſtecken bleiben — daß
es ſo ausſieht, als lebten wir in eins weg. —
Des Thomas Morus lezte Worte ſahen wie
Tiſchreden aus, und wahrlich, er ſtarb wie
ein Mann. So bald, ſagte der Graf, ich ei-
nen leichtſinnig ſterben ſehe, der ſo lebte —
ſage man mir nichts uͤber den Leichtſinn; ich
nehme dieſes Wort im guten Sinn. Man
koͤnnte dieſen Sinn, um ihn zu verſtehen,
auch Leichtſinn nennen. — Noch hab’ ich der-
gleichen Sterbende nicht gefunden. Denn
Witz und Sinne ſind in einem beſondern ge-
heimen Einverſtaͤndnis. — Bevor die Fra-
ge: wie wir ſtarben? beantwortet wird,

ſagte Epaminondas, kann man nicht ſagen,
wer von uns die meiſte Achtung ver-
dient.
— Niemand iſt vor ſeinem Tode
gluͤcklich, Niemand bey ſeinem Leben gros. —
Menſch bedenke das Ende! Aber! fieng der
Graf an, und wandte ſich an mich, warum
ſo viel Leid um unſere Todten? Sie gehen
keinen Schritt vorwaͤrts und werden vom
Schmerz angehalten, ſo bald der Name Mine
vorkommt. Ich habe viel aͤuſſere Trauer an
mir, als da ſind z. E. die Pleroͤſen an meinen
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[41/0047] nommen iſt nur der Umſtand verehrungs- werth, daß wir nicht ſtecken bleiben — daß es ſo ausſieht, als lebten wir in eins weg. — Des Thomas Morus lezte Worte ſahen wie Tiſchreden aus, und wahrlich, er ſtarb wie ein Mann. So bald, ſagte der Graf, ich ei- nen leichtſinnig ſterben ſehe, der ſo lebte — ſage man mir nichts uͤber den Leichtſinn; ich nehme dieſes Wort im guten Sinn. Man koͤnnte dieſen Sinn, um ihn zu verſtehen, auch Leichtſinn nennen. — Noch hab’ ich der- gleichen Sterbende nicht gefunden. Denn Witz und Sinne ſind in einem beſondern ge- heimen Einverſtaͤndnis. — Bevor die Fra- ge: wie wir ſtarben? beantwortet wird, ſagte Epaminondas, kann man nicht ſagen, wer von uns die meiſte Achtung ver- dient. — Niemand iſt vor ſeinem Tode gluͤcklich, Niemand bey ſeinem Leben gros. — Menſch bedenke das Ende! Aber! fieng der Graf an, und wandte ſich an mich, warum ſo viel Leid um unſere Todten? Sie gehen keinen Schritt vorwaͤrts und werden vom Schmerz angehalten, ſo bald der Name Mine vorkommt. Ich habe viel aͤuſſere Trauer an mir, als da ſind z. E. die Pleroͤſen an meinen Briefen — und mich haͤlt nichts an, und was eigent- C 5

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/47>, abgerufen am 28.03.2024.