Wort nehmen, die sich beym Anputz der Lei- che und bey dem Begräbniß-Luxus zu offen- baren pflegt? Da begraben die Todten die Todten! Wir fielen auf die Todten und Be- gräbnislieder der Alten, die nicht so erbaulich waren, als: ich hab' mein Sach Gott heim- gestellt. Ich bin ja Herr in deiner Macht, und das neue Todtenlied vom Jahr des Orga- nisten in L --
Wir danken Gott für seine Gaben etc.
Die Todtenlieder der Alten waren weinerliche Lustgesänge, sagte der Graf. Ernst und Scherz, wie ist es zu erklären (das war das Wort, so der Graf suchte) wie ists zu erklä- ren, daß so kluge Völker in diesem Stück so unklug seyn konnten? Diese Gesänge, diese Nänien, die Hanswürste und Gaukler, diese Klagweiber, die so lachen konnten, daß alle Welt es für Weinen hielt, wie ists in rerum natura, wie ists erklärbar? Wie Lachen und Weinen zusammen!
Nach bild der Welt, sagt ich, oder mein Vater.
Doch ich will blos den Inhalt eines lan- gen Gesprächs geben; sonst würd' ich zu weit- läuftig werden.
Dieses Leben, fieng ich an, ist Lachen und Weinen, in einem Sack, setzte der Graf
hinzu.
Wort nehmen, die ſich beym Anputz der Lei- che und bey dem Begraͤbniß-Luxus zu offen- baren pflegt? Da begraben die Todten die Todten! Wir fielen auf die Todten und Be- graͤbnislieder der Alten, die nicht ſo erbaulich waren, als: ich hab’ mein Sach Gott heim- geſtellt. Ich bin ja Herr in deiner Macht, und das neue Todtenlied vom Jahr des Orga- niſten in L —
Wir danken Gott fuͤr ſeine Gaben ꝛc.
Die Todtenlieder der Alten waren weinerliche Luſtgeſaͤnge, ſagte der Graf. Ernſt und Scherz, wie iſt es zu erklaͤren (das war das Wort, ſo der Graf ſuchte) wie iſts zu erklaͤ- ren, daß ſo kluge Voͤlker in dieſem Stuͤck ſo unklug ſeyn konnten? Dieſe Geſaͤnge, dieſe Naͤnien, die Hanswuͤrſte und Gaukler, dieſe Klagweiber, die ſo lachen konnten, daß alle Welt es fuͤr Weinen hielt, wie iſts in rerum natura, wie iſts erklaͤrbar? Wie Lachen und Weinen zuſammen!
Nach bild der Welt, ſagt ich, oder mein Vater.
Doch ich will blos den Inhalt eines lan- gen Geſpraͤchs geben; ſonſt wuͤrd’ ich zu weit- laͤuftig werden.
Dieſes Leben, fieng ich an, iſt Lachen und Weinen, in einem Sack, ſetzte der Graf
hinzu.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0044"n="38"/>
Wort nehmen, die ſich beym Anputz der Lei-<lb/>
che und bey dem Begraͤbniß-Luxus zu offen-<lb/>
baren pflegt? Da begraben die Todten die<lb/>
Todten! Wir fielen auf die Todten und Be-<lb/>
graͤbnislieder der Alten, die nicht ſo erbaulich<lb/>
waren, als: ich hab’ mein Sach Gott heim-<lb/>
geſtellt. Ich bin ja Herr in deiner Macht,<lb/>
und das neue Todtenlied vom Jahr des Orga-<lb/>
niſten in L —</p><lb/><p>Wir danken Gott fuͤr ſeine Gaben ꝛc.</p><lb/><p>Die Todtenlieder der Alten waren weinerliche<lb/>
Luſtgeſaͤnge, ſagte der Graf. Ernſt und<lb/>
Scherz, wie iſt es zu erklaͤren (das war das<lb/>
Wort, ſo der Graf ſuchte) wie iſts zu erklaͤ-<lb/>
ren, daß ſo kluge Voͤlker in dieſem Stuͤck ſo<lb/>
unklug ſeyn konnten? Dieſe Geſaͤnge, dieſe<lb/>
Naͤnien, die Hanswuͤrſte und Gaukler, dieſe<lb/>
Klagweiber, die ſo lachen konnten, daß alle<lb/>
Welt es fuͤr Weinen hielt, wie iſts in <hirendition="#aq">rerum<lb/>
natura,</hi> wie iſts erklaͤrbar? Wie Lachen und<lb/>
Weinen zuſammen!</p><lb/><p>Nach bild der Welt, ſagt ich, oder mein Vater.</p><lb/><p>Doch ich will blos den Inhalt eines lan-<lb/>
gen Geſpraͤchs geben; ſonſt wuͤrd’ ich zu weit-<lb/>
laͤuftig werden.</p><lb/><p>Dieſes Leben, fieng ich an, iſt Lachen und<lb/>
Weinen, in einem Sack, ſetzte der Graf<lb/><fwplace="bottom"type="catch">hinzu.</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[38/0044]
Wort nehmen, die ſich beym Anputz der Lei-
che und bey dem Begraͤbniß-Luxus zu offen-
baren pflegt? Da begraben die Todten die
Todten! Wir fielen auf die Todten und Be-
graͤbnislieder der Alten, die nicht ſo erbaulich
waren, als: ich hab’ mein Sach Gott heim-
geſtellt. Ich bin ja Herr in deiner Macht,
und das neue Todtenlied vom Jahr des Orga-
niſten in L —
Wir danken Gott fuͤr ſeine Gaben ꝛc.
Die Todtenlieder der Alten waren weinerliche
Luſtgeſaͤnge, ſagte der Graf. Ernſt und
Scherz, wie iſt es zu erklaͤren (das war das
Wort, ſo der Graf ſuchte) wie iſts zu erklaͤ-
ren, daß ſo kluge Voͤlker in dieſem Stuͤck ſo
unklug ſeyn konnten? Dieſe Geſaͤnge, dieſe
Naͤnien, die Hanswuͤrſte und Gaukler, dieſe
Klagweiber, die ſo lachen konnten, daß alle
Welt es fuͤr Weinen hielt, wie iſts in rerum
natura, wie iſts erklaͤrbar? Wie Lachen und
Weinen zuſammen!
Nach bild der Welt, ſagt ich, oder mein Vater.
Doch ich will blos den Inhalt eines lan-
gen Geſpraͤchs geben; ſonſt wuͤrd’ ich zu weit-
laͤuftig werden.
Dieſes Leben, fieng ich an, iſt Lachen und
Weinen, in einem Sack, ſetzte der Graf
hinzu.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/44>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.