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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Wort nehmen, die sich beym Anputz der Lei-
che und bey dem Begräbniß-Luxus zu offen-
baren pflegt? Da begraben die Todten die
Todten! Wir fielen auf die Todten und Be-
gräbnislieder der Alten, die nicht so erbaulich
waren, als: ich hab' mein Sach Gott heim-
gestellt. Ich bin ja Herr in deiner Macht,
und das neue Todtenlied vom Jahr des Orga-
nisten in L --

Wir danken Gott für seine Gaben etc.

Die Todtenlieder der Alten waren weinerliche
Lustgesänge, sagte der Graf. Ernst und
Scherz, wie ist es zu erklären (das war das
Wort, so der Graf suchte) wie ists zu erklä-
ren, daß so kluge Völker in diesem Stück so
unklug seyn konnten? Diese Gesänge, diese
Nänien, die Hanswürste und Gaukler, diese
Klagweiber, die so lachen konnten, daß alle
Welt es für Weinen hielt, wie ists in rerum
natura,
wie ists erklärbar? Wie Lachen und
Weinen zusammen!

Nach bild der Welt, sagt ich, oder mein Vater.

Doch ich will blos den Inhalt eines lan-
gen Gesprächs geben; sonst würd' ich zu weit-
läuftig werden.

Dieses Leben, fieng ich an, ist Lachen und
Weinen, in einem Sack, setzte der Graf

hinzu.

Wort nehmen, die ſich beym Anputz der Lei-
che und bey dem Begraͤbniß-Luxus zu offen-
baren pflegt? Da begraben die Todten die
Todten! Wir fielen auf die Todten und Be-
graͤbnislieder der Alten, die nicht ſo erbaulich
waren, als: ich hab’ mein Sach Gott heim-
geſtellt. Ich bin ja Herr in deiner Macht,
und das neue Todtenlied vom Jahr des Orga-
niſten in L —

Wir danken Gott fuͤr ſeine Gaben ꝛc.

Die Todtenlieder der Alten waren weinerliche
Luſtgeſaͤnge, ſagte der Graf. Ernſt und
Scherz, wie iſt es zu erklaͤren (das war das
Wort, ſo der Graf ſuchte) wie iſts zu erklaͤ-
ren, daß ſo kluge Voͤlker in dieſem Stuͤck ſo
unklug ſeyn konnten? Dieſe Geſaͤnge, dieſe
Naͤnien, die Hanswuͤrſte und Gaukler, dieſe
Klagweiber, die ſo lachen konnten, daß alle
Welt es fuͤr Weinen hielt, wie iſts in rerum
natura,
wie iſts erklaͤrbar? Wie Lachen und
Weinen zuſammen!

Nach bild der Welt, ſagt ich, oder mein Vater.

Doch ich will blos den Inhalt eines lan-
gen Geſpraͤchs geben; ſonſt wuͤrd’ ich zu weit-
laͤuftig werden.

Dieſes Leben, fieng ich an, iſt Lachen und
Weinen, in einem Sack, ſetzte der Graf

hinzu.
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[38/0044] Wort nehmen, die ſich beym Anputz der Lei- che und bey dem Begraͤbniß-Luxus zu offen- baren pflegt? Da begraben die Todten die Todten! Wir fielen auf die Todten und Be- graͤbnislieder der Alten, die nicht ſo erbaulich waren, als: ich hab’ mein Sach Gott heim- geſtellt. Ich bin ja Herr in deiner Macht, und das neue Todtenlied vom Jahr des Orga- niſten in L — Wir danken Gott fuͤr ſeine Gaben ꝛc. Die Todtenlieder der Alten waren weinerliche Luſtgeſaͤnge, ſagte der Graf. Ernſt und Scherz, wie iſt es zu erklaͤren (das war das Wort, ſo der Graf ſuchte) wie iſts zu erklaͤ- ren, daß ſo kluge Voͤlker in dieſem Stuͤck ſo unklug ſeyn konnten? Dieſe Geſaͤnge, dieſe Naͤnien, die Hanswuͤrſte und Gaukler, dieſe Klagweiber, die ſo lachen konnten, daß alle Welt es fuͤr Weinen hielt, wie iſts in rerum natura, wie iſts erklaͤrbar? Wie Lachen und Weinen zuſammen! Nach bild der Welt, ſagt ich, oder mein Vater. Doch ich will blos den Inhalt eines lan- gen Geſpraͤchs geben; ſonſt wuͤrd’ ich zu weit- laͤuftig werden. Dieſes Leben, fieng ich an, iſt Lachen und Weinen, in einem Sack, ſetzte der Graf hinzu.

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/44>, abgerufen am 29.03.2024.