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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Fieber hebräisch lernte, da mir deine Gros-
mutter den Ring aufdrückte, und da dein
Vater dich Alexander hieß, und da er selbst
M -- l -- ch genannt ward, was wollt' ich
sagen? Dergleichen Heimsuchungen sind We-
cker, sind Haltrufer! Steh doch, Seele,
steh doch stille
! Gott sucht den Menschen
heim, wenn es dem Menschen wohlgeht.
So sieh dich doch um, wie schön dein Feld
steht, dein Weib fürchtet den Herrn, und
deine Kinder stehen, wie Palmen am Wasser;
du hast was dein Herz wünscht und deinen
Augen gefällt. Gott sucht den Menschen
heim, wenn er ihm mit unerwartetem Un-
glück in die Quere kommt. Glück kommt in
die Länge. Gott kommt, so zu sagen, bis
ins Menschen Haus, um ihm Gutes im
Glück und Unglück zuzufügen. Was liegt
nicht alles in dem Worte heimsuchen! Gott
sucht den Menschen heim zu ziehen, von der
Welt ab, und in sich selbst, in seinen eigenen
Busen, um durch eben diese Selbsterkenntnis
ihn dahin zu bringen, wo wir ewig seyn wer-
den! Kreutz und Leiden, mein Kind, sind der
Zaum und Gebis, so der liebe Gott uns, seinen
Roßen, ins Maul legt, wenn wir nicht zu ihm
wollen; und wer ist ohne Kreuz und Leiden?

Willst

Fieber hebraͤiſch lernte, da mir deine Gros-
mutter den Ring aufdruͤckte, und da dein
Vater dich Alexander hieß, und da er ſelbſt
M — l — ch genannt ward, was wollt’ ich
ſagen? Dergleichen Heimſuchungen ſind We-
cker, ſind Haltrufer! Steh doch, Seele,
ſteh doch ſtille
! Gott ſucht den Menſchen
heim, wenn es dem Menſchen wohlgeht.
So ſieh dich doch um, wie ſchoͤn dein Feld
ſteht, dein Weib fuͤrchtet den Herrn, und
deine Kinder ſtehen, wie Palmen am Waſſer;
du haſt was dein Herz wuͤnſcht und deinen
Augen gefaͤllt. Gott ſucht den Menſchen
heim, wenn er ihm mit unerwartetem Un-
gluͤck in die Quere kommt. Gluͤck kommt in
die Laͤnge. Gott kommt, ſo zu ſagen, bis
ins Menſchen Haus, um ihm Gutes im
Gluͤck und Ungluͤck zuzufuͤgen. Was liegt
nicht alles in dem Worte heimſuchen! Gott
ſucht den Menſchen heim zu ziehen, von der
Welt ab, und in ſich ſelbſt, in ſeinen eigenen
Buſen, um durch eben dieſe Selbſterkenntnis
ihn dahin zu bringen, wo wir ewig ſeyn wer-
den! Kreutz und Leiden, mein Kind, ſind der
Zaum und Gebis, ſo der liebe Gott uns, ſeinen
Roßen, ins Maul legt, wenn wir nicht zu ihm
wollen; und wer iſt ohne Kreuz und Leiden?

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[383/0391] Fieber hebraͤiſch lernte, da mir deine Gros- mutter den Ring aufdruͤckte, und da dein Vater dich Alexander hieß, und da er ſelbſt M — l — ch genannt ward, was wollt’ ich ſagen? Dergleichen Heimſuchungen ſind We- cker, ſind Haltrufer! Steh doch, Seele, ſteh doch ſtille! Gott ſucht den Menſchen heim, wenn es dem Menſchen wohlgeht. So ſieh dich doch um, wie ſchoͤn dein Feld ſteht, dein Weib fuͤrchtet den Herrn, und deine Kinder ſtehen, wie Palmen am Waſſer; du haſt was dein Herz wuͤnſcht und deinen Augen gefaͤllt. Gott ſucht den Menſchen heim, wenn er ihm mit unerwartetem Un- gluͤck in die Quere kommt. Gluͤck kommt in die Laͤnge. Gott kommt, ſo zu ſagen, bis ins Menſchen Haus, um ihm Gutes im Gluͤck und Ungluͤck zuzufuͤgen. Was liegt nicht alles in dem Worte heimſuchen! Gott ſucht den Menſchen heim zu ziehen, von der Welt ab, und in ſich ſelbſt, in ſeinen eigenen Buſen, um durch eben dieſe Selbſterkenntnis ihn dahin zu bringen, wo wir ewig ſeyn wer- den! Kreutz und Leiden, mein Kind, ſind der Zaum und Gebis, ſo der liebe Gott uns, ſeinen Roßen, ins Maul legt, wenn wir nicht zu ihm wollen; und wer iſt ohne Kreuz und Leiden? Willſt

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/391>, abgerufen am 22.11.2024.