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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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einen Waschzettel schreiben, wo ich nicht an
Minen schriftlich denke, und ihren Nahmen,
wär' es auch nur der erst' und lezte Buchstab
M. e. mit hinein schreibe, um meine schrift-
liche Sünde, meinen Stank für Dank zu
büssen. Sey mit dieser Busse zufrieden, lie-
ber gütiger Gott, und sieh mich so nicht an,
wie ich Minen, vor der lezten Predigt in
unsrer Kirche! Wie könnt' ich sonst vor dir
bestehen! -- Straf mich nicht nach meinen
Sünden, vergilt mir nicht nach meinen Mis-
sethaten! -- So du willst, Herr, Sünde
zurechnen hier, in der ersten Instanz, vor dem
Gewissen, und dort in der lezten, wer kann
bestehen? --

Gott du kennst vorhin
alles, was mich kränket,
und woran mein Sinn
Tag und Nacht gedenket.
Niemand weiß um mich,
als nur du, und ich! --

Das! das! mein Sohn, ist mein täglich,
mein stündlich Gebet zu Gott, das ich aus
der Tiefe herauswinde, wie ein müder Wan-
derer einen Labetrunk aus einem Brunnen,
der dem Reisebecher Tropfen auspreßt. Wie
gern ich sehe, wenn das Glas beschlägt, kann

ich
A a 3

einen Waſchzettel ſchreiben, wo ich nicht an
Minen ſchriftlich denke, und ihren Nahmen,
waͤr’ es auch nur der erſt’ und lezte Buchſtab
M. e. mit hinein ſchreibe, um meine ſchrift-
liche Suͤnde, meinen Stank fuͤr Dank zu
buͤſſen. Sey mit dieſer Buſſe zufrieden, lie-
ber guͤtiger Gott, und ſieh mich ſo nicht an,
wie ich Minen, vor der lezten Predigt in
unſrer Kirche! Wie koͤnnt’ ich ſonſt vor dir
beſtehen! — Straf mich nicht nach meinen
Suͤnden, vergilt mir nicht nach meinen Miſ-
ſethaten! — So du willſt, Herr, Suͤnde
zurechnen hier, in der erſten Inſtanz, vor dem
Gewiſſen, und dort in der lezten, wer kann
beſtehen? —

Gott du kennſt vorhin
alles, was mich kraͤnket,
und woran mein Sinn
Tag und Nacht gedenket.
Niemand weiß um mich,
als nur du, und ich! —

Das! das! mein Sohn, iſt mein taͤglich,
mein ſtuͤndlich Gebet zu Gott, das ich aus
der Tiefe herauswinde, wie ein muͤder Wan-
derer einen Labetrunk aus einem Brunnen,
der dem Reiſebecher Tropfen auspreßt. Wie
gern ich ſehe, wenn das Glas beſchlaͤgt, kann

ich
A a 3
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[373/0381] einen Waſchzettel ſchreiben, wo ich nicht an Minen ſchriftlich denke, und ihren Nahmen, waͤr’ es auch nur der erſt’ und lezte Buchſtab M. e. mit hinein ſchreibe, um meine ſchrift- liche Suͤnde, meinen Stank fuͤr Dank zu buͤſſen. Sey mit dieſer Buſſe zufrieden, lie- ber guͤtiger Gott, und ſieh mich ſo nicht an, wie ich Minen, vor der lezten Predigt in unſrer Kirche! Wie koͤnnt’ ich ſonſt vor dir beſtehen! — Straf mich nicht nach meinen Suͤnden, vergilt mir nicht nach meinen Miſ- ſethaten! — So du willſt, Herr, Suͤnde zurechnen hier, in der erſten Inſtanz, vor dem Gewiſſen, und dort in der lezten, wer kann beſtehen? — Gott du kennſt vorhin alles, was mich kraͤnket, und woran mein Sinn Tag und Nacht gedenket. Niemand weiß um mich, als nur du, und ich! — Das! das! mein Sohn, iſt mein taͤglich, mein ſtuͤndlich Gebet zu Gott, das ich aus der Tiefe herauswinde, wie ein muͤder Wan- derer einen Labetrunk aus einem Brunnen, der dem Reiſebecher Tropfen auspreßt. Wie gern ich ſehe, wenn das Glas beſchlaͤgt, kann ich A a 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/381>, abgerufen am 22.11.2024.