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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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in seiner paradisischen Pracht und Herrlich-
keit, wenn man auf einem Wege der Erste ist!
Es liegt Etwas Göttliches drinn. Zwar wenn
vom Stammbaum die Rede wäre, fing der
Graf in einem hochgebohrnen Ton an; möcht
ich sehen, wer einen entferntern Ersten hätte,
als unser Haus? Ich nehm aber meinen Er-
sten im andern Sinn. Auch der Lezte ist mir
Ehrenwerth. Der Lezte zu seyn, ist zwey
Drittel weniger köstlich; indeßen beßer als
alle, die vor sind, bis auf den hohen Ersten.
-- Adam und Eva wurden nicht gebohren,
und die den jüngsten Tag erleben, werden nicht
sterben. Ich möcht ihn schon nicht erleben,
den jüngsten Tag, denn ich habe Lust abzu-
scheiden. Ich habe die Ehre, den Tod zu ken-
nen, und kann wohl sagen, daß ich ihn lieb
habe, so lieb wie mein Leben und mehr.

Der Graf sprach dieses nicht im Ausfor-
derungston, sondern so kalt, wie der Tod.
Er hatte schon die Weise des Todes angenom-
men. Ich hatt' ihm seine obige Anwendung
längst verziehen, und war froh, einen solchen
Sterbensmann kennen zu lernen. Ich möch-
te bey dem allem wißen, fieng der Graf vom
frischen an, wie es zugehe, daß Leute, welche
alsdenn, wenn uns oft die besten Freunde

un-

in ſeiner paradiſiſchen Pracht und Herrlich-
keit, wenn man auf einem Wege der Erſte iſt!
Es liegt Etwas Goͤttliches drinn. Zwar wenn
vom Stammbaum die Rede waͤre, fing der
Graf in einem hochgebohrnen Ton an; moͤcht
ich ſehen, wer einen entferntern Erſten haͤtte,
als unſer Haus? Ich nehm aber meinen Er-
ſten im andern Sinn. Auch der Lezte iſt mir
Ehrenwerth. Der Lezte zu ſeyn, iſt zwey
Drittel weniger koͤſtlich; indeßen beßer als
alle, die vor ſind, bis auf den hohen Erſten.
— Adam und Eva wurden nicht gebohren,
und die den juͤngſten Tag erleben, werden nicht
ſterben. Ich moͤcht ihn ſchon nicht erleben,
den juͤngſten Tag, denn ich habe Luſt abzu-
ſcheiden. Ich habe die Ehre, den Tod zu ken-
nen, und kann wohl ſagen, daß ich ihn lieb
habe, ſo lieb wie mein Leben und mehr.

Der Graf ſprach dieſes nicht im Ausfor-
derungston, ſondern ſo kalt, wie der Tod.
Er hatte ſchon die Weiſe des Todes angenom-
men. Ich hatt’ ihm ſeine obige Anwendung
laͤngſt verziehen, und war froh, einen ſolchen
Sterbensmann kennen zu lernen. Ich moͤch-
te bey dem allem wißen, fieng der Graf vom
friſchen an, wie es zugehe, daß Leute, welche
alsdenn, wenn uns oft die beſten Freunde

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[32/0038] in ſeiner paradiſiſchen Pracht und Herrlich- keit, wenn man auf einem Wege der Erſte iſt! Es liegt Etwas Goͤttliches drinn. Zwar wenn vom Stammbaum die Rede waͤre, fing der Graf in einem hochgebohrnen Ton an; moͤcht ich ſehen, wer einen entferntern Erſten haͤtte, als unſer Haus? Ich nehm aber meinen Er- ſten im andern Sinn. Auch der Lezte iſt mir Ehrenwerth. Der Lezte zu ſeyn, iſt zwey Drittel weniger koͤſtlich; indeßen beßer als alle, die vor ſind, bis auf den hohen Erſten. — Adam und Eva wurden nicht gebohren, und die den juͤngſten Tag erleben, werden nicht ſterben. Ich moͤcht ihn ſchon nicht erleben, den juͤngſten Tag, denn ich habe Luſt abzu- ſcheiden. Ich habe die Ehre, den Tod zu ken- nen, und kann wohl ſagen, daß ich ihn lieb habe, ſo lieb wie mein Leben und mehr. Der Graf ſprach dieſes nicht im Ausfor- derungston, ſondern ſo kalt, wie der Tod. Er hatte ſchon die Weiſe des Todes angenom- men. Ich hatt’ ihm ſeine obige Anwendung laͤngſt verziehen, und war froh, einen ſolchen Sterbensmann kennen zu lernen. Ich moͤch- te bey dem allem wißen, fieng der Graf vom friſchen an, wie es zugehe, daß Leute, welche alsdenn, wenn uns oft die beſten Freunde un-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/38>, abgerufen am 29.03.2024.