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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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hier ihr Erbbegräbnis gehabt, ausgestorben,
sie in einem Herbst alle drey ausgegangen
wären. Das ist nichts neues, setzte der Tod-
tengräber hinzu. Es haben sich viel Hunde
um ihren Herrn zu Tode gegrämt, und die
Stiere, die in dieser Geschichte vorkommen,
sind ein neuer Beweis, daß die Bäume ge-
wust, wenn es Zeit zum Ausgehen war. Ich
bat den Todtengräber, diese Mordgeschichte
dem Grafen zu übersenden, welches er mir
aber abschlug, "ich muß so etwas aufbewah-
"ren, um es ihm hier vorzusetzen."

Ich schließe den Kirchhof, ehe das Stadt-
thor für mich geschlossen wird. Wer mir aber
dergleichen Vorgriffe übel nimmt, kann mir
mehr übel nehmen, wenn es ihm so beliebt. --
So sehr mir diese Geschichte auffiel; so war ich
doch nicht im Stande, Greten im Irhause
zu besuchen, um ihren schrecklichen Scharf-
richter-Handgrif zu sehen! --

Wenn es ausgemacht ist, (und nichts ist
gewisser, als dies,) daß die wahre Philoso-
phie eine Sterbkunst sey; so legt' ich mich
mehr auf die Philosophie, als auf irgend et-
was. Um reich zu seyn, braucht man nicht
Geld nicht Gut, sondern Mäßigkeit. Gute
Führung beehrt uns, nicht Würde. Wer

lang

hier ihr Erbbegraͤbnis gehabt, ausgeſtorben,
ſie in einem Herbſt alle drey ausgegangen
waͤren. Das iſt nichts neues, ſetzte der Tod-
tengraͤber hinzu. Es haben ſich viel Hunde
um ihren Herrn zu Tode gegraͤmt, und die
Stiere, die in dieſer Geſchichte vorkommen,
ſind ein neuer Beweis, daß die Baͤume ge-
wuſt, wenn es Zeit zum Ausgehen war. Ich
bat den Todtengraͤber, dieſe Mordgeſchichte
dem Grafen zu uͤberſenden, welches er mir
aber abſchlug, „ich muß ſo etwas aufbewah-
„ren, um es ihm hier vorzuſetzen.”

Ich ſchließe den Kirchhof, ehe das Stadt-
thor fuͤr mich geſchloſſen wird. Wer mir aber
dergleichen Vorgriffe uͤbel nimmt, kann mir
mehr uͤbel nehmen, wenn es ihm ſo beliebt. —
So ſehr mir dieſe Geſchichte auffiel; ſo war ich
doch nicht im Stande, Greten im Irhauſe
zu beſuchen, um ihren ſchrecklichen Scharf-
richter-Handgrif zu ſehen! —

Wenn es ausgemacht iſt, (und nichts iſt
gewiſſer, als dies,) daß die wahre Philoſo-
phie eine Sterbkunſt ſey; ſo legt’ ich mich
mehr auf die Philoſophie, als auf irgend et-
was. Um reich zu ſeyn, braucht man nicht
Geld nicht Gut, ſondern Maͤßigkeit. Gute
Fuͤhrung beehrt uns, nicht Wuͤrde. Wer

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[298/0304] hier ihr Erbbegraͤbnis gehabt, ausgeſtorben, ſie in einem Herbſt alle drey ausgegangen waͤren. Das iſt nichts neues, ſetzte der Tod- tengraͤber hinzu. Es haben ſich viel Hunde um ihren Herrn zu Tode gegraͤmt, und die Stiere, die in dieſer Geſchichte vorkommen, ſind ein neuer Beweis, daß die Baͤume ge- wuſt, wenn es Zeit zum Ausgehen war. Ich bat den Todtengraͤber, dieſe Mordgeſchichte dem Grafen zu uͤberſenden, welches er mir aber abſchlug, „ich muß ſo etwas aufbewah- „ren, um es ihm hier vorzuſetzen.” Ich ſchließe den Kirchhof, ehe das Stadt- thor fuͤr mich geſchloſſen wird. Wer mir aber dergleichen Vorgriffe uͤbel nimmt, kann mir mehr uͤbel nehmen, wenn es ihm ſo beliebt. — So ſehr mir dieſe Geſchichte auffiel; ſo war ich doch nicht im Stande, Greten im Irhauſe zu beſuchen, um ihren ſchrecklichen Scharf- richter-Handgrif zu ſehen! — Wenn es ausgemacht iſt, (und nichts iſt gewiſſer, als dies,) daß die wahre Philoſo- phie eine Sterbkunſt ſey; ſo legt’ ich mich mehr auf die Philoſophie, als auf irgend et- was. Um reich zu ſeyn, braucht man nicht Geld nicht Gut, ſondern Maͤßigkeit. Gute Fuͤhrung beehrt uns, nicht Wuͤrde. Wer lang

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/304>, abgerufen am 18.05.2024.