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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Man hat so viel über die Klöster geschrieen;
allein wahrlich jeder Staat macht recht ge-
flissentlich ein großes Kloster aus sich! --

Die Geschichte.

Ein Eigenthümer von einigen Hufen Acker,
und einem kleinen artigen Häuschen, hatte ei-
nen Sohn und eine Tochter. Eltern und
Kinder lebten in so glücklicher Ruhe, daß der
Pastor loci selbst zu sagen pflegte, es wäre ein
patriarchalisches Leben, das sie führten. Der
Sohn kam ins Jahr, in dem sein Vater ge-
heyrathet hatte. Dies fiel dem Alten an sei-
nes Sohnes Geburtstage ein, und er fordert'
ihn selbst auf, an dies heilige Werk der Na-
tur zu denken. Der Sohn hatte schon daran
gedacht, und entdeckte dem Vater seine Ab-
sichten. Anwerbung, Verlobung und Hoch-
zeit waren so nahe zusammen, daß alles wie
eins war. So solt' es auch immer seyn.
Gretchen, so will ich die Tochter des Hauses
nennen, (ohne Pastors Gretchen in L-- im
mindesten zu nahe zu treten,) hatte das gröste
Recht von der Welt zu erwarten, daß ihre
Mutter sie eben so auffordern würde, als es
der Vater in Rücksicht ihres Bruders nicht
ermangeln lassen. Sie war ein und zwanzig;

ihre

Man hat ſo viel uͤber die Kloͤſter geſchrieen;
allein wahrlich jeder Staat macht recht ge-
fliſſentlich ein großes Kloſter aus ſich! —

Die Geſchichte.

Ein Eigenthuͤmer von einigen Hufen Acker,
und einem kleinen artigen Haͤuschen, hatte ei-
nen Sohn und eine Tochter. Eltern und
Kinder lebten in ſo gluͤcklicher Ruhe, daß der
Paſtor loci ſelbſt zu ſagen pflegte, es waͤre ein
patriarchaliſches Leben, das ſie fuͤhrten. Der
Sohn kam ins Jahr, in dem ſein Vater ge-
heyrathet hatte. Dies fiel dem Alten an ſei-
nes Sohnes Geburtstage ein, und er fordert’
ihn ſelbſt auf, an dies heilige Werk der Na-
tur zu denken. Der Sohn hatte ſchon daran
gedacht, und entdeckte dem Vater ſeine Ab-
ſichten. Anwerbung, Verlobung und Hoch-
zeit waren ſo nahe zuſammen, daß alles wie
eins war. So ſolt’ es auch immer ſeyn.
Gretchen, ſo will ich die Tochter des Hauſes
nennen, (ohne Paſtors Gretchen in L— im
mindeſten zu nahe zu treten,) hatte das groͤſte
Recht von der Welt zu erwarten, daß ihre
Mutter ſie eben ſo auffordern wuͤrde, als es
der Vater in Ruͤckſicht ihres Bruders nicht
ermangeln laſſen. Sie war ein und zwanzig;

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[282/0288] Man hat ſo viel uͤber die Kloͤſter geſchrieen; allein wahrlich jeder Staat macht recht ge- fliſſentlich ein großes Kloſter aus ſich! — Die Geſchichte. Ein Eigenthuͤmer von einigen Hufen Acker, und einem kleinen artigen Haͤuschen, hatte ei- nen Sohn und eine Tochter. Eltern und Kinder lebten in ſo gluͤcklicher Ruhe, daß der Paſtor loci ſelbſt zu ſagen pflegte, es waͤre ein patriarchaliſches Leben, das ſie fuͤhrten. Der Sohn kam ins Jahr, in dem ſein Vater ge- heyrathet hatte. Dies fiel dem Alten an ſei- nes Sohnes Geburtstage ein, und er fordert’ ihn ſelbſt auf, an dies heilige Werk der Na- tur zu denken. Der Sohn hatte ſchon daran gedacht, und entdeckte dem Vater ſeine Ab- ſichten. Anwerbung, Verlobung und Hoch- zeit waren ſo nahe zuſammen, daß alles wie eins war. So ſolt’ es auch immer ſeyn. Gretchen, ſo will ich die Tochter des Hauſes nennen, (ohne Paſtors Gretchen in L— im mindeſten zu nahe zu treten,) hatte das groͤſte Recht von der Welt zu erwarten, daß ihre Mutter ſie eben ſo auffordern wuͤrde, als es der Vater in Ruͤckſicht ihres Bruders nicht ermangeln laſſen. Sie war ein und zwanzig; ihre

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/288>, abgerufen am 18.05.2024.