firt? Wohl, recht tyrannisirt. Beym Affekt tritt die dumme Figur ein: Pars pro toto. Der Theil ist so groß, als das Ganze. Ein Theil der Bedürfnisse überwiegt Summa Summa- rum aller Bedürfnisse. Eine Neigung über- wiegt die Sammlung aller Neigungen. Es ist ein Monstrum, ein Mannskopf und Kind- fuß, oder umgekehrt. Neigung ist schon Schwachheit; indessen behält sie noch immer eine Klarheit; allein im Affekt, wo bist du Sonne blieben? Der Tag ist schier dahin. --
Alle Thiere sind des Vergnügens und Schmerzens, nicht aber der Freude und Trau- rigkeit fähig; denn diese entstehen nur als- denn, wenn wir von dem Hügel unsers jetzi- gen Zustandes unsern ganzen Zustand über- schauen. So weit reicht das Auge des Thiers nicht; wär's auch ein Elephant. Der Mensch ist Thier; wenn er ergetzt wird, wenn er Schmerz empfindet, kann es ihm wohl ver- dacht werden? Nur ausserordentlich freudig, ausserordentlich traurig zu seyn, ist ihm un- anständig.
Der Eifer für des Herrn Haus, der edle Zorn für die Rechte der Weisheit, die Ent- zückung über das Glück der Menschheit, klei- den einen Menschen; weil sie den Menschen
dahin
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firt? Wohl, recht tyranniſirt. Beym Affekt tritt die dumme Figur ein: Pars pro toto. Der Theil iſt ſo groß, als das Ganze. Ein Theil der Beduͤrfniſſe uͤberwiegt Summa Summa- rum aller Beduͤrfniſſe. Eine Neigung uͤber- wiegt die Sammlung aller Neigungen. Es iſt ein Monſtrum, ein Mannskopf und Kind- fuß, oder umgekehrt. Neigung iſt ſchon Schwachheit; indeſſen behaͤlt ſie noch immer eine Klarheit; allein im Affekt, wo biſt du Sonne blieben? Der Tag iſt ſchier dahin. —
Alle Thiere ſind des Vergnuͤgens und Schmerzens, nicht aber der Freude und Trau- rigkeit faͤhig; denn dieſe entſtehen nur als- denn, wenn wir von dem Huͤgel unſers jetzi- gen Zuſtandes unſern ganzen Zuſtand uͤber- ſchauen. So weit reicht das Auge des Thiers nicht; waͤr’s auch ein Elephant. Der Menſch iſt Thier; wenn er ergetzt wird, wenn er Schmerz empfindet, kann es ihm wohl ver- dacht werden? Nur auſſerordentlich freudig, auſſerordentlich traurig zu ſeyn, iſt ihm un- anſtaͤndig.
Der Eifer fuͤr des Herrn Haus, der edle Zorn fuͤr die Rechte der Weisheit, die Ent- zuͤckung uͤber das Gluͤck der Menſchheit, klei- den einen Menſchen; weil ſie den Menſchen
dahin
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firt? Wohl, recht tyranniſirt. Beym Affekt
tritt die dumme Figur ein: Pars pro toto. Der
Theil iſt ſo groß, als das Ganze. Ein Theil
der Beduͤrfniſſe uͤberwiegt Summa Summa-
rum aller Beduͤrfniſſe. Eine Neigung uͤber-
wiegt die Sammlung aller Neigungen. Es
iſt ein Monſtrum, ein Mannskopf und Kind-
fuß, oder umgekehrt. Neigung iſt ſchon
Schwachheit; indeſſen behaͤlt ſie noch immer
eine Klarheit; allein im Affekt, wo biſt du
Sonne blieben? Der Tag iſt ſchier dahin. —
Alle Thiere ſind des Vergnuͤgens und
Schmerzens, nicht aber der Freude und Trau-
rigkeit faͤhig; denn dieſe entſtehen nur als-
denn, wenn wir von dem Huͤgel unſers jetzi-
gen Zuſtandes unſern ganzen Zuſtand uͤber-
ſchauen. So weit reicht das Auge des Thiers
nicht; waͤr’s auch ein Elephant. Der Menſch
iſt Thier; wenn er ergetzt wird, wenn er
Schmerz empfindet, kann es ihm wohl ver-
dacht werden? Nur auſſerordentlich freudig,
auſſerordentlich traurig zu ſeyn, iſt ihm un-
anſtaͤndig.
Der Eifer fuͤr des Herrn Haus, der edle
Zorn fuͤr die Rechte der Weisheit, die Ent-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/269>, abgerufen am 27.11.2024.
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