Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

fiel aus meinem zum Himmel andringenden
Auge, das ich über diesen Rosenbusch hielt. --
Diese Thräne! entblätterte die Knospe. --
Ob so, oder anders. Die Blätter fielen aus
einander, und ich! -- -- Wer so stirbt, der
stirbt wohl. --


Ich gieng, oder lief, wie es kam, wie-
der in die Stunden. Meine Abwesenheit war
mir nicht nachtheilig -- ich half mir selbst
nach, und da ich mit den besten meiner Bey-
gänger, oder Beyläufer, collationirte, fand
ich hier und da eine andere Ader! Auch gut,
dacht' ich! Man muß Gott mehr gehorchen,
als den Menschen. Man muß das Fund,
das uns der Herr anvertraut hat, nicht ins
Schweistuch vergraben, sondern es anlegen,
damit es Früchte bringe, zu seiner Zeit.

Mein Vater pflegte zu sagen: alle Philo-
sophie will den Menschen still machen. Er-
innerst du dich nicht an schöne Abende, wo
sich kein Blädchen am Baum bewegt, wo die
ganze Natur, wenn ich so sagen soll, beym
lieben Gott in der Kirch' ist und Ihn, nur

Ihn
R 3

fiel aus meinem zum Himmel andringenden
Auge, das ich uͤber dieſen Roſenbuſch hielt. —
Dieſe Thraͤne! entblaͤtterte die Knoſpe. —
Ob ſo, oder anders. Die Blaͤtter fielen aus
einander, und ich! — — Wer ſo ſtirbt, der
ſtirbt wohl. —


Ich gieng, oder lief, wie es kam, wie-
der in die Stunden. Meine Abweſenheit war
mir nicht nachtheilig — ich half mir ſelbſt
nach, und da ich mit den beſten meiner Bey-
gaͤnger, oder Beylaͤufer, collationirte, fand
ich hier und da eine andere Ader! Auch gut,
dacht’ ich! Man muß Gott mehr gehorchen,
als den Menſchen. Man muß das Fund,
das uns der Herr anvertraut hat, nicht ins
Schweistuch vergraben, ſondern es anlegen,
damit es Fruͤchte bringe, zu ſeiner Zeit.

Mein Vater pflegte zu ſagen: alle Philo-
ſophie will den Menſchen ſtill machen. Er-
innerſt du dich nicht an ſchoͤne Abende, wo
ſich kein Blaͤdchen am Baum bewegt, wo die
ganze Natur, wenn ich ſo ſagen ſoll, beym
lieben Gott in der Kirch’ iſt und Ihn, nur

Ihn
R 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0267" n="261"/>
fiel aus meinem zum Himmel andringenden<lb/>
Auge, das ich u&#x0364;ber die&#x017F;en Ro&#x017F;enbu&#x017F;ch hielt. &#x2014;<lb/>
Die&#x017F;e Thra&#x0364;ne! entbla&#x0364;tterte die Kno&#x017F;pe. &#x2014;<lb/>
Ob &#x017F;o, oder anders. Die Bla&#x0364;tter fielen aus<lb/>
einander, und ich! &#x2014; &#x2014; Wer &#x017F;o &#x017F;tirbt, der<lb/>
&#x017F;tirbt wohl. &#x2014;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Ich gieng, oder lief, wie es kam, wie-<lb/>
der in die Stunden. Meine Abwe&#x017F;enheit war<lb/>
mir nicht nachtheilig &#x2014; ich half mir &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nach, und da ich mit den be&#x017F;ten meiner Bey-<lb/>
ga&#x0364;nger, oder Beyla&#x0364;ufer, collationirte, fand<lb/>
ich hier und da eine andere Ader! Auch gut,<lb/>
dacht&#x2019; ich! Man muß Gott mehr gehorchen,<lb/>
als den Men&#x017F;chen. Man muß das Fund,<lb/>
das uns der Herr anvertraut hat, nicht ins<lb/>
Schweistuch vergraben, &#x017F;ondern es anlegen,<lb/>
damit es Fru&#x0364;chte bringe, zu &#x017F;einer Zeit.</p><lb/>
        <p>Mein Vater pflegte zu &#x017F;agen: alle Philo-<lb/>
&#x017F;ophie will den Men&#x017F;chen &#x017F;till machen. Er-<lb/>
inner&#x017F;t du dich nicht an &#x017F;cho&#x0364;ne Abende, wo<lb/>
&#x017F;ich kein Bla&#x0364;dchen am Baum bewegt, wo die<lb/>
ganze Natur, wenn ich &#x017F;o &#x017F;agen &#x017F;oll, beym<lb/>
lieben Gott in der Kirch&#x2019; i&#x017F;t und <hi rendition="#fr">Ihn,</hi> nur<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Ihn</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0267] fiel aus meinem zum Himmel andringenden Auge, das ich uͤber dieſen Roſenbuſch hielt. — Dieſe Thraͤne! entblaͤtterte die Knoſpe. — Ob ſo, oder anders. Die Blaͤtter fielen aus einander, und ich! — — Wer ſo ſtirbt, der ſtirbt wohl. — Ich gieng, oder lief, wie es kam, wie- der in die Stunden. Meine Abweſenheit war mir nicht nachtheilig — ich half mir ſelbſt nach, und da ich mit den beſten meiner Bey- gaͤnger, oder Beylaͤufer, collationirte, fand ich hier und da eine andere Ader! Auch gut, dacht’ ich! Man muß Gott mehr gehorchen, als den Menſchen. Man muß das Fund, das uns der Herr anvertraut hat, nicht ins Schweistuch vergraben, ſondern es anlegen, damit es Fruͤchte bringe, zu ſeiner Zeit. Mein Vater pflegte zu ſagen: alle Philo- ſophie will den Menſchen ſtill machen. Er- innerſt du dich nicht an ſchoͤne Abende, wo ſich kein Blaͤdchen am Baum bewegt, wo die ganze Natur, wenn ich ſo ſagen ſoll, beym lieben Gott in der Kirch’ iſt und Ihn, nur Ihn R 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/267
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/267>, abgerufen am 18.05.2024.