beständig Särger gearbeitet. Der Graf dien- te armen Leuten aus seiner Sargfabrike. Jetzt war kein Provisionssarg in Arbeit. Der Sargtischler hatte Thränen in den Augen, wie der in Curland, den meine Mutter des Todes Zimmermann nannte, und der in seiner Gewerksstube herzlich weinte, wenn er einen Sarg für einen Redlichen im Lande erbauete. Gott, sagte der Weinende, und wandte sich zu seinem Beichtvater, meinem Reisegefehrten! Ach Gott! lieber Herr Pfarrer, der künftige Einwohner dieses Hauses hatt' ein schönes En- de! Das leztemal, daß ich für Jemand einen Sarg mache, den ich sterben gesehen! Mag es thun wers kann -- ich nicht -- ich hoble mir das Herz ab.
Dieser Ausdruck, der ihm, wie man deut- lich sahe -- entfuhr, schlug ihn nieder. Er verlohr Spannung und Kraft. Das Hand- werkzeug entfiel ihm. -- Das rührendste war immer, daß er sein Gesicht in ein Stück seiner Schürze verhüllte. Dies ist ein wohl- hergebrachtes Zeichen der Traurigkeit. Wir verhüllen uns, als ob wir der Welt entsagen und uns auf uns selbst einschränken wollten, als ob der Fall zu schwer wäre, um ihn fas- sen -- selbst um ihn sehen zu können. Wahr-
lich
beſtaͤndig Saͤrger gearbeitet. Der Graf dien- te armen Leuten aus ſeiner Sargfabrike. Jetzt war kein Proviſionsſarg in Arbeit. Der Sargtiſchler hatte Thraͤnen in den Augen, wie der in Curland, den meine Mutter des Todes Zimmermann nannte, und der in ſeiner Gewerksſtube herzlich weinte, wenn er einen Sarg fuͤr einen Redlichen im Lande erbauete. Gott, ſagte der Weinende, und wandte ſich zu ſeinem Beichtvater, meinem Reiſegefehrten! Ach Gott! lieber Herr Pfarrer, der kuͤnftige Einwohner dieſes Hauſes hatt’ ein ſchoͤnes En- de! Das leztemal, daß ich fuͤr Jemand einen Sarg mache, den ich ſterben geſehen! Mag es thun wers kann — ich nicht — ich hoble mir das Herz ab.
Dieſer Ausdruck, der ihm, wie man deut- lich ſahe — entfuhr, ſchlug ihn nieder. Er verlohr Spannung und Kraft. Das Hand- werkzeug entfiel ihm. — Das ruͤhrendſte war immer, daß er ſein Geſicht in ein Stuͤck ſeiner Schuͤrze verhuͤllte. Dies iſt ein wohl- hergebrachtes Zeichen der Traurigkeit. Wir verhuͤllen uns, als ob wir der Welt entſagen und uns auf uns ſelbſt einſchraͤnken wollten, als ob der Fall zu ſchwer waͤre, um ihn faſ- ſen — ſelbſt um ihn ſehen zu koͤnnen. Wahr-
lich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0026"n="20"/>
beſtaͤndig Saͤrger gearbeitet. Der Graf dien-<lb/>
te armen Leuten aus ſeiner Sargfabrike.<lb/>
Jetzt war kein Proviſionsſarg in Arbeit. Der<lb/>
Sargtiſchler hatte Thraͤnen in den Augen,<lb/>
wie der in Curland, den meine Mutter des<lb/><choice><sic>Todeszimmermann</sic><corr>Todes Zimmermann</corr></choice> nannte, und der in ſeiner<lb/>
Gewerksſtube herzlich weinte, wenn er einen<lb/>
Sarg fuͤr einen Redlichen im Lande erbauete.<lb/>
Gott, ſagte der Weinende, und wandte ſich<lb/>
zu ſeinem Beichtvater, meinem Reiſegefehrten!<lb/>
Ach Gott! lieber Herr Pfarrer, der kuͤnftige<lb/>
Einwohner dieſes Hauſes hatt’ ein ſchoͤnes En-<lb/>
de! Das leztemal, daß ich fuͤr Jemand einen<lb/>
Sarg mache, den ich ſterben geſehen! Mag<lb/>
es thun wers kann — ich nicht — ich hoble<lb/>
mir das Herz ab.</p><lb/><p>Dieſer Ausdruck, der ihm, wie man deut-<lb/>
lich ſahe — entfuhr, ſchlug ihn nieder. Er<lb/>
verlohr Spannung und Kraft. Das Hand-<lb/>
werkzeug entfiel ihm. — Das ruͤhrendſte<lb/>
war immer, daß er ſein Geſicht in ein Stuͤck<lb/>ſeiner Schuͤrze verhuͤllte. Dies iſt ein wohl-<lb/>
hergebrachtes Zeichen der Traurigkeit. Wir<lb/>
verhuͤllen uns, als ob wir der Welt entſagen<lb/>
und uns auf uns ſelbſt einſchraͤnken wollten,<lb/>
als ob der Fall zu ſchwer waͤre, um ihn faſ-<lb/>ſen —ſelbſt um ihn ſehen zu koͤnnen. Wahr-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">lich</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[20/0026]
beſtaͤndig Saͤrger gearbeitet. Der Graf dien-
te armen Leuten aus ſeiner Sargfabrike.
Jetzt war kein Proviſionsſarg in Arbeit. Der
Sargtiſchler hatte Thraͤnen in den Augen,
wie der in Curland, den meine Mutter des
Todes Zimmermann nannte, und der in ſeiner
Gewerksſtube herzlich weinte, wenn er einen
Sarg fuͤr einen Redlichen im Lande erbauete.
Gott, ſagte der Weinende, und wandte ſich
zu ſeinem Beichtvater, meinem Reiſegefehrten!
Ach Gott! lieber Herr Pfarrer, der kuͤnftige
Einwohner dieſes Hauſes hatt’ ein ſchoͤnes En-
de! Das leztemal, daß ich fuͤr Jemand einen
Sarg mache, den ich ſterben geſehen! Mag
es thun wers kann — ich nicht — ich hoble
mir das Herz ab.
Dieſer Ausdruck, der ihm, wie man deut-
lich ſahe — entfuhr, ſchlug ihn nieder. Er
verlohr Spannung und Kraft. Das Hand-
werkzeug entfiel ihm. — Das ruͤhrendſte
war immer, daß er ſein Geſicht in ein Stuͤck
ſeiner Schuͤrze verhuͤllte. Dies iſt ein wohl-
hergebrachtes Zeichen der Traurigkeit. Wir
verhuͤllen uns, als ob wir der Welt entſagen
und uns auf uns ſelbſt einſchraͤnken wollten,
als ob der Fall zu ſchwer waͤre, um ihn faſ-
ſen — ſelbſt um ihn ſehen zu koͤnnen. Wahr-
lich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/26>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.