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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Strebt der Sonne entgegen, Freunde,
damit das Heil des menschlichen Geschlechts
bald reif werde! Was wollen die hindern-
den Blätter? was die Aeste? -- Schlagt
euch durch zur Sonne, und ermüdet ihr! auch
gut! desto beßer läßt sich schlafen! --

Eine wohlgesetzte Red' ist nie zum Behal-
ten eingerichtet. Man will sie ganz, und hat
nichts. Es ist ein regelmäßiger Garten, wo
es recht hübsch und fein aussieht; allein was
kannst du heimführen? Blumen? Blumen
in der Hand, von der Wurzel gerißen, was
sollen die? Nimm den ganzen Garten mit,
was hast du? Ein ganz richtig gerechnetes
Exempel zusammt der Probe. Wildnis,
Berg und Thal, aus dem Vollen gehauene
Gänge, Parke, die machen Eindruck und
laßen ihn auch. So vortreflich unordentlich
war diese Rede. Es war kein Kunst- sondern
ein Naturstück, und was ist, pflegte mein Va-
ter zu sagen, was ist es denn, das die künst-
lich gezogene Wortschleuße und die daher rau-
schende Fluten des Redners, die all an seinen
Text schlagen, erzeugen? Schaum, und wenn
auch eine Venus daraus würde, nicht jedem
ist mit dieser Schaumgöttin gedient. -- Was
ich meinen Lesern von der Wildnis-Rede gege-

ben,

Strebt der Sonne entgegen, Freunde,
damit das Heil des menſchlichen Geſchlechts
bald reif werde! Was wollen die hindern-
den Blaͤtter? was die Aeſte? — Schlagt
euch durch zur Sonne, und ermuͤdet ihr! auch
gut! deſto beßer laͤßt ſich ſchlafen! —

Eine wohlgeſetzte Red’ iſt nie zum Behal-
ten eingerichtet. Man will ſie ganz, und hat
nichts. Es iſt ein regelmaͤßiger Garten, wo
es recht huͤbſch und fein ausſieht; allein was
kannſt du heimfuͤhren? Blumen? Blumen
in der Hand, von der Wurzel gerißen, was
ſollen die? Nimm den ganzen Garten mit,
was haſt du? Ein ganz richtig gerechnetes
Exempel zuſammt der Probe. Wildnis,
Berg und Thal, aus dem Vollen gehauene
Gaͤnge, Parke, die machen Eindruck und
laßen ihn auch. So vortreflich unordentlich
war dieſe Rede. Es war kein Kunſt- ſondern
ein Naturſtuͤck, und was iſt, pflegte mein Va-
ter zu ſagen, was iſt es denn, das die kuͤnſt-
lich gezogene Wortſchleuße und die daher rau-
ſchende Fluten des Redners, die all an ſeinen
Text ſchlagen, erzeugen? Schaum, und wenn
auch eine Venus daraus wuͤrde, nicht jedem
iſt mit dieſer Schaumgoͤttin gedient. — Was
ich meinen Leſern von der Wildnis-Rede gege-

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[200/0206] Strebt der Sonne entgegen, Freunde, damit das Heil des menſchlichen Geſchlechts bald reif werde! Was wollen die hindern- den Blaͤtter? was die Aeſte? — Schlagt euch durch zur Sonne, und ermuͤdet ihr! auch gut! deſto beßer laͤßt ſich ſchlafen! — Eine wohlgeſetzte Red’ iſt nie zum Behal- ten eingerichtet. Man will ſie ganz, und hat nichts. Es iſt ein regelmaͤßiger Garten, wo es recht huͤbſch und fein ausſieht; allein was kannſt du heimfuͤhren? Blumen? Blumen in der Hand, von der Wurzel gerißen, was ſollen die? Nimm den ganzen Garten mit, was haſt du? Ein ganz richtig gerechnetes Exempel zuſammt der Probe. Wildnis, Berg und Thal, aus dem Vollen gehauene Gaͤnge, Parke, die machen Eindruck und laßen ihn auch. So vortreflich unordentlich war dieſe Rede. Es war kein Kunſt- ſondern ein Naturſtuͤck, und was iſt, pflegte mein Va- ter zu ſagen, was iſt es denn, das die kuͤnſt- lich gezogene Wortſchleuße und die daher rau- ſchende Fluten des Redners, die all an ſeinen Text ſchlagen, erzeugen? Schaum, und wenn auch eine Venus daraus wuͤrde, nicht jedem iſt mit dieſer Schaumgoͤttin gedient. — Was ich meinen Leſern von der Wildnis-Rede gege- ben,

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/206>, abgerufen am 23.11.2024.