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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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dem, der ein Auge dazu hat. -- Der Geist
ist in Gott, in dem er lebt, webt und ist. --
Das schlechtere vom Körper, das sich die
Würmer so gierig zueignen, Mensch! traure
nicht, es wird nur abgezogen, vom Felde in
den Garten verpflanzt, wo es so lange ver-
pflanzt und gepflanzt wird, bis --

Es ist noch nicht erschienen, was wir seyn
werden! Du, mein Geist, der du dein bewußt
bist, du, der du dich selbst anredest, du Funke
Gottes, in dieser stockfinstern Erde, du Funke,
an dem sich jeder das Licht anzündete, das in
seinem Hause brennt, was warst du, eh dir
dieses Kleid zugeschnitten, eh es dir umge-
hangen ward, und was wirst du seyn, wenn
du dieses Regenkleid, diesen Schlafrock, wenns
köstlich gewesen, ausziehest, oder wenn er,
aus Alter unbrauchbar, wie ein zerrissenes
Gewand abgeschüttelt wird? Von wannen
kommst du? Wohin fährst du? Woher? Wo-
hin? Finster vor und hinter dir. -- O ihr
Entkleideten! Ihr nackten Geister! die ihr
vielleicht dies Selbst- dies Seelengespräch an-
gehöret, redet drein! sagt, wo seyd ihr? wißt
ihr, daß ihr seyd, daß ihr wart, daß ihr seyn
werdet und seyn so, oder anders in Ewigkeit?
Seyd ihr es, die in uns wirken, wenn uns

ein
N

dem, der ein Auge dazu hat. — Der Geiſt
iſt in Gott, in dem er lebt, webt und iſt. —
Das ſchlechtere vom Koͤrper, das ſich die
Wuͤrmer ſo gierig zueignen, Menſch! traure
nicht, es wird nur abgezogen, vom Felde in
den Garten verpflanzt, wo es ſo lange ver-
pflanzt und gepflanzt wird, bis —

Es iſt noch nicht erſchienen, was wir ſeyn
werden! Du, mein Geiſt, der du dein bewußt
biſt, du, der du dich ſelbſt anredeſt, du Funke
Gottes, in dieſer ſtockfinſtern Erde, du Funke,
an dem ſich jeder das Licht anzuͤndete, das in
ſeinem Hauſe brennt, was warſt du, eh dir
dieſes Kleid zugeſchnitten, eh es dir umge-
hangen ward, und was wirſt du ſeyn, wenn
du dieſes Regenkleid, dieſen Schlafrock, wenns
koͤſtlich geweſen, auszieheſt, oder wenn er,
aus Alter unbrauchbar, wie ein zerriſſenes
Gewand abgeſchuͤttelt wird? Von wannen
kommſt du? Wohin faͤhrſt du? Woher? Wo-
hin? Finſter vor und hinter dir. — O ihr
Entkleideten! Ihr nackten Geiſter! die ihr
vielleicht dies Selbſt- dies Seelengeſpraͤch an-
gehoͤret, redet drein! ſagt, wo ſeyd ihr? wißt
ihr, daß ihr ſeyd, daß ihr wart, daß ihr ſeyn
werdet und ſeyn ſo, oder anders in Ewigkeit?
Seyd ihr es, die in uns wirken, wenn uns

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[193/0199] dem, der ein Auge dazu hat. — Der Geiſt iſt in Gott, in dem er lebt, webt und iſt. — Das ſchlechtere vom Koͤrper, das ſich die Wuͤrmer ſo gierig zueignen, Menſch! traure nicht, es wird nur abgezogen, vom Felde in den Garten verpflanzt, wo es ſo lange ver- pflanzt und gepflanzt wird, bis — Es iſt noch nicht erſchienen, was wir ſeyn werden! Du, mein Geiſt, der du dein bewußt biſt, du, der du dich ſelbſt anredeſt, du Funke Gottes, in dieſer ſtockfinſtern Erde, du Funke, an dem ſich jeder das Licht anzuͤndete, das in ſeinem Hauſe brennt, was warſt du, eh dir dieſes Kleid zugeſchnitten, eh es dir umge- hangen ward, und was wirſt du ſeyn, wenn du dieſes Regenkleid, dieſen Schlafrock, wenns koͤſtlich geweſen, auszieheſt, oder wenn er, aus Alter unbrauchbar, wie ein zerriſſenes Gewand abgeſchuͤttelt wird? Von wannen kommſt du? Wohin faͤhrſt du? Woher? Wo- hin? Finſter vor und hinter dir. — O ihr Entkleideten! Ihr nackten Geiſter! die ihr vielleicht dies Selbſt- dies Seelengeſpraͤch an- gehoͤret, redet drein! ſagt, wo ſeyd ihr? wißt ihr, daß ihr ſeyd, daß ihr wart, daß ihr ſeyn werdet und ſeyn ſo, oder anders in Ewigkeit? Seyd ihr es, die in uns wirken, wenn uns ein N

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/199>, abgerufen am 22.11.2024.