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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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chen, damit andere schlafen mögen; ihr lebt
für andere, und so kurz und kostbar euer Le-
ben auch ist; so verkauft ihr es doch gern für
wenig Gran Gold und Silber, die Erstgeburt
für ein schnödes Linsengericht. Warum also
die Klage: kurz ist die Zeit, kurz sind die
Jahre? Hättet ihr Oekonomie studirt, ihr
Lebensdurchbringer, ihr verlohrnen Söhne,
wahrlich ihr würdet das Leben nicht zu kurz
finden! Thiere werden älter, als wir, Bäu-
me, die wir pflanzen, überleben uns, und
wir sind im Stande, uns ein Grabmal auf-
zurichten, das stumm, wie es da ist, zu sei-
ner Zeit mehr von uns anzeigen kann, als wir
selbst. Wie lange währt es nicht, bis der
Eichenbaum so dicht wird, daß kein Nah-
rungssaft mehr durchkann, daß die Feuchtig-
keit keine Circulation mehr hat, die Adern zu
Knochen werden, und die Lebenssäfte aus-
trocknen! Beym Menschen gehts geschwin-
der; geschwinder werden seine Häute Knor-
pel, seine Knorpel Knochen, seine Knochen
Steine, wahrlich Leichensteine. -- Ich leug-
ne nicht, daß aller Menschen Leben nur ein
Tag sey. Dieser lebt einen Winter- jener ei-
nen Sommertag, dieser ein Aequinoctium,
jener den längsten Tag. Am Ende hat der,

so

chen, damit andere ſchlafen moͤgen; ihr lebt
fuͤr andere, und ſo kurz und koſtbar euer Le-
ben auch iſt; ſo verkauft ihr es doch gern fuͤr
wenig Gran Gold und Silber, die Erſtgeburt
fuͤr ein ſchnoͤdes Linſengericht. Warum alſo
die Klage: kurz iſt die Zeit, kurz ſind die
Jahre? Haͤttet ihr Oekonomie ſtudirt, ihr
Lebensdurchbringer, ihr verlohrnen Soͤhne,
wahrlich ihr wuͤrdet das Leben nicht zu kurz
finden! Thiere werden aͤlter, als wir, Baͤu-
me, die wir pflanzen, uͤberleben uns, und
wir ſind im Stande, uns ein Grabmal auf-
zurichten, das ſtumm, wie es da iſt, zu ſei-
ner Zeit mehr von uns anzeigen kann, als wir
ſelbſt. Wie lange waͤhrt es nicht, bis der
Eichenbaum ſo dicht wird, daß kein Nah-
rungsſaft mehr durchkann, daß die Feuchtig-
keit keine Circulation mehr hat, die Adern zu
Knochen werden, und die Lebensſaͤfte aus-
trocknen! Beym Menſchen gehts geſchwin-
der; geſchwinder werden ſeine Haͤute Knor-
pel, ſeine Knorpel Knochen, ſeine Knochen
Steine, wahrlich Leichenſteine. — Ich leug-
ne nicht, daß aller Menſchen Leben nur ein
Tag ſey. Dieſer lebt einen Winter- jener ei-
nen Sommertag, dieſer ein Aequinoctium,
jener den laͤngſten Tag. Am Ende hat der,

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[175/0181] chen, damit andere ſchlafen moͤgen; ihr lebt fuͤr andere, und ſo kurz und koſtbar euer Le- ben auch iſt; ſo verkauft ihr es doch gern fuͤr wenig Gran Gold und Silber, die Erſtgeburt fuͤr ein ſchnoͤdes Linſengericht. Warum alſo die Klage: kurz iſt die Zeit, kurz ſind die Jahre? Haͤttet ihr Oekonomie ſtudirt, ihr Lebensdurchbringer, ihr verlohrnen Soͤhne, wahrlich ihr wuͤrdet das Leben nicht zu kurz finden! Thiere werden aͤlter, als wir, Baͤu- me, die wir pflanzen, uͤberleben uns, und wir ſind im Stande, uns ein Grabmal auf- zurichten, das ſtumm, wie es da iſt, zu ſei- ner Zeit mehr von uns anzeigen kann, als wir ſelbſt. Wie lange waͤhrt es nicht, bis der Eichenbaum ſo dicht wird, daß kein Nah- rungsſaft mehr durchkann, daß die Feuchtig- keit keine Circulation mehr hat, die Adern zu Knochen werden, und die Lebensſaͤfte aus- trocknen! Beym Menſchen gehts geſchwin- der; geſchwinder werden ſeine Haͤute Knor- pel, ſeine Knorpel Knochen, ſeine Knochen Steine, wahrlich Leichenſteine. — Ich leug- ne nicht, daß aller Menſchen Leben nur ein Tag ſey. Dieſer lebt einen Winter- jener ei- nen Sommertag, dieſer ein Aequinoctium, jener den laͤngſten Tag. Am Ende hat der, ſo

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/181>, abgerufen am 27.11.2024.