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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Kurz, eh' es zum Sterben kam, trank er
mit den Sterbenden Brüder und Schwester-
schaft. Eine solche Sterbensschwester konnte
von ihrem Lager aufstehen, und wenn es ihre
Natur so wollte, gesund werden; allein sie
blieb was sie einmal war -- Schwester, ob-
gleich ihr Vater Organist, Fabrikant, Nad-
ler war.

Der Graf nannte diese Ceremonien: Be-
cherreichung. Ich freue mich, sagt' er, schon
hier in dieser Welt, im Himmel zu seyn, wo
wir alle, bis auf den lieben Gott, der der
Hausvater ist, Brüder und Schwestern sind.
Solch ein Trank ist würklicher Himmelstrank,
würklicher Nektar, von dem viele Menschen
sich keine Idee machen können.

Der Prediger aus L-- hatte anfänglich
dieser Becherreichung wegen viel zu erinnern
gehabt; indeßen ward alles fein ordentlich
und ehrlich beygelegt.

Es herrschte im ganzen Hause des Grafen
ein Krankentritt; langsam, und auf den
Spitzen der Füße, gieng alles. Kein Wun-
der, sagte der Graf, wenn hie und da Etwas
steif in meinem Haus' ist, und nach diesen
Einrichtungen aussieht. Wenns nur der
Staat nicht ist, fuhr er fort, der auf den Ze-

hen

Kurz, eh’ es zum Sterben kam, trank er
mit den Sterbenden Bruͤder und Schweſter-
ſchaft. Eine ſolche Sterbensſchweſter konnte
von ihrem Lager aufſtehen, und wenn es ihre
Natur ſo wollte, geſund werden; allein ſie
blieb was ſie einmal war — Schweſter, ob-
gleich ihr Vater Organiſt, Fabrikant, Nad-
ler war.

Der Graf nannte dieſe Ceremonien: Be-
cherreichung. Ich freue mich, ſagt’ er, ſchon
hier in dieſer Welt, im Himmel zu ſeyn, wo
wir alle, bis auf den lieben Gott, der der
Hausvater iſt, Bruͤder und Schweſtern ſind.
Solch ein Trank iſt wuͤrklicher Himmelstrank,
wuͤrklicher Nektar, von dem viele Menſchen
ſich keine Idee machen koͤnnen.

Der Prediger aus L— hatte anfaͤnglich
dieſer Becherreichung wegen viel zu erinnern
gehabt; indeßen ward alles fein ordentlich
und ehrlich beygelegt.

Es herrſchte im ganzen Hauſe des Grafen
ein Krankentritt; langſam, und auf den
Spitzen der Fuͤße, gieng alles. Kein Wun-
der, ſagte der Graf, wenn hie und da Etwas
ſteif in meinem Hauſ’ iſt, und nach dieſen
Einrichtungen ausſieht. Wenns nur der
Staat nicht iſt, fuhr er fort, der auf den Ze-

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[104/0110] Kurz, eh’ es zum Sterben kam, trank er mit den Sterbenden Bruͤder und Schweſter- ſchaft. Eine ſolche Sterbensſchweſter konnte von ihrem Lager aufſtehen, und wenn es ihre Natur ſo wollte, geſund werden; allein ſie blieb was ſie einmal war — Schweſter, ob- gleich ihr Vater Organiſt, Fabrikant, Nad- ler war. Der Graf nannte dieſe Ceremonien: Be- cherreichung. Ich freue mich, ſagt’ er, ſchon hier in dieſer Welt, im Himmel zu ſeyn, wo wir alle, bis auf den lieben Gott, der der Hausvater iſt, Bruͤder und Schweſtern ſind. Solch ein Trank iſt wuͤrklicher Himmelstrank, wuͤrklicher Nektar, von dem viele Menſchen ſich keine Idee machen koͤnnen. Der Prediger aus L— hatte anfaͤnglich dieſer Becherreichung wegen viel zu erinnern gehabt; indeßen ward alles fein ordentlich und ehrlich beygelegt. Es herrſchte im ganzen Hauſe des Grafen ein Krankentritt; langſam, und auf den Spitzen der Fuͤße, gieng alles. Kein Wun- der, ſagte der Graf, wenn hie und da Etwas ſteif in meinem Hauſ’ iſt, und nach dieſen Einrichtungen ausſieht. Wenns nur der Staat nicht iſt, fuhr er fort, der auf den Ze- hen

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/110>, abgerufen am 23.11.2024.