kannst du auf mein Wort zu Zeugen rufen. Erhabener Todter! Man achtet das Leben nicht, wenn man dich siehet! O möchtest du nicht verwesen! Du soltest ewig dazu dienen, den Furchtsamen zu steifen, und jeden zu leh- ren, daß nicht jeder auf gleiche Weise todt sey. Dir sieht man es an, daß du nicht aufhören kannst, daß du nicht aufgehöret hast. Es stirbt nicht jeder auf gleiche Weise, es lebt nicht jeder auf gleiche Art. Stiller Mond, dies große Grab empfehl' ich dir! Du siehst viel, was die Sonne nicht sieht, du bist ein Sonntagskind und kannst Gesichter sehen, die sonst niemand zu sehen versteht. Du siehst fromme Geister, wenn sie um die Gräber der Ihrigen wanken, die sie noch nicht in dem wei- ten Himmel aufgefunden haben, Du siehst, wenn sie sich von ungefehr treffen; und wenn sie den himmlischen Bund machen "wir lassen uns nicht in Ewigkeit." -- Du siehst erkennt- liche Geister, die ihren Ueberrest, ihren ver- wesenden Körper, besuchen; die Stück vor Stück von ihm Abschied nehmen, und ihn bedauren, daß er Körper war und daß er ge- storben ist. Rührend muß es dir seyn, lie- ber Mond, rührend, so was zu sehen, wenn Geist und Leib sich zusammen finden, und sich
nicht
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kannſt du auf mein Wort zu Zeugen rufen. Erhabener Todter! Man achtet das Leben nicht, wenn man dich ſiehet! O moͤchteſt du nicht verweſen! Du ſolteſt ewig dazu dienen, den Furchtſamen zu ſteifen, und jeden zu leh- ren, daß nicht jeder auf gleiche Weiſe todt ſey. Dir ſieht man es an, daß du nicht aufhoͤren kannſt, daß du nicht aufgehoͤret haſt. Es ſtirbt nicht jeder auf gleiche Weiſe, es lebt nicht jeder auf gleiche Art. Stiller Mond, dies große Grab empfehl’ ich dir! Du ſiehſt viel, was die Sonne nicht ſieht, du biſt ein Sonntagskind und kannſt Geſichter ſehen, die ſonſt niemand zu ſehen verſteht. Du ſiehſt fromme Geiſter, wenn ſie um die Graͤber der Ihrigen wanken, die ſie noch nicht in dem wei- ten Himmel aufgefunden haben, Du ſiehſt, wenn ſie ſich von ungefehr treffen; und wenn ſie den himmliſchen Bund machen „wir laſſen uns nicht in Ewigkeit.“ — Du ſiehſt erkennt- liche Geiſter, die ihren Ueberreſt, ihren ver- weſenden Koͤrper, beſuchen; die Stuͤck vor Stuͤck von ihm Abſchied nehmen, und ihn bedauren, daß er Koͤrper war und daß er ge- ſtorben iſt. Ruͤhrend muß es dir ſeyn, lie- ber Mond, ruͤhrend, ſo was zu ſehen, wenn Geiſt und Leib ſich zuſammen finden, und ſich
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kannſt du auf mein Wort zu Zeugen rufen.
Erhabener Todter! Man achtet das Leben
nicht, wenn man dich ſiehet! O moͤchteſt du
nicht verweſen! Du ſolteſt ewig dazu dienen,
den Furchtſamen zu ſteifen, und jeden zu leh-
ren, daß nicht jeder auf gleiche Weiſe todt ſey.
Dir ſieht man es an, daß du nicht aufhoͤren
kannſt, daß du nicht aufgehoͤret haſt. Es
ſtirbt nicht jeder auf gleiche Weiſe, es lebt
nicht jeder auf gleiche Art. Stiller Mond,
dies große Grab empfehl’ ich dir! Du ſiehſt
viel, was die Sonne nicht ſieht, du biſt ein
Sonntagskind und kannſt Geſichter ſehen,
die ſonſt niemand zu ſehen verſteht. Du ſiehſt
fromme Geiſter, wenn ſie um die Graͤber der
Ihrigen wanken, die ſie noch nicht in dem wei-
ten Himmel aufgefunden haben, Du ſiehſt,
wenn ſie ſich von ungefehr treffen; und wenn
ſie den himmliſchen Bund machen „wir laſſen
uns nicht in Ewigkeit.“ — Du ſiehſt erkennt-
liche Geiſter, die ihren Ueberreſt, ihren ver-
weſenden Koͤrper, beſuchen; die Stuͤck vor
Stuͤck von ihm Abſchied nehmen, und ihn
bedauren, daß er Koͤrper war und daß er ge-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/597>, abgerufen am 22.11.2024.
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