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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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ren, auch der Amtswachmeister muste mit
Schanden unten an sitzen, und im Wirths-
hause seine Diäten verzehren. Dies geschahe
gleichfals nicht ohne Kopfschütteln. Man sah
es dem Peiniger an, daß er gern Ketten und
Band' angelegt hätte. --

Da stand der Justizrath, wie von Gott
verlassen! --

Mine wünschte, nachdem er lange vor
ihr als Inculpatus gestanden, allein zu seyn,
er schwur, er könne nicht von dannen, bis sie
ihm verziehen hätte. Mein Gott, was ist
der Mensch? Ein trotzig und verzagt Ding.
Wer kann ihn ergründen?

Der Deputatus weinte bitterlich.

Mine hob ihre halb abgestorbene Händ-
auf, und blickte den Bußfertigen sanft lä-
chelnd an. Ihr Blick sagte: Sie wusten
nicht, was Sie thaten.

Er hatte sich vorgenommen, ihr einige
Fragen, wiewohl außerhalb den Grenzen
seines Promemorias, zu thun; allein er
konnte nicht. --

Kommen Sie, sagte der Prediger, da-
mit wir uns nach langem Mißverständniß
mit Herz und Seele verstehen. Der Predi-
ger erzählt' ihm den lezten Theil von Mi-

nens
Zweiter Th. J i

ren, auch der Amtswachmeiſter muſte mit
Schanden unten an ſitzen, und im Wirths-
hauſe ſeine Diaͤten verzehren. Dies geſchahe
gleichfals nicht ohne Kopfſchuͤtteln. Man ſah
es dem Peiniger an, daß er gern Ketten und
Band’ angelegt haͤtte. —

Da ſtand der Juſtizrath, wie von Gott
verlaſſen! —

Mine wuͤnſchte, nachdem er lange vor
ihr als Inculpatus geſtanden, allein zu ſeyn,
er ſchwur, er koͤnne nicht von dannen, bis ſie
ihm verziehen haͤtte. Mein Gott, was iſt
der Menſch? Ein trotzig und verzagt Ding.
Wer kann ihn ergruͤnden?

Der Deputatus weinte bitterlich.

Mine hob ihre halb abgeſtorbene Haͤnd-
auf, und blickte den Bußfertigen ſanft laͤ-
chelnd an. Ihr Blick ſagte: Sie wuſten
nicht, was Sie thaten.

Er hatte ſich vorgenommen, ihr einige
Fragen, wiewohl außerhalb den Grenzen
ſeines Promemorias, zu thun; allein er
konnte nicht. —

Kommen Sie, ſagte der Prediger, da-
mit wir uns nach langem Mißverſtaͤndniß
mit Herz und Seele verſtehen. Der Predi-
ger erzaͤhlt’ ihm den lezten Theil von Mi-

nens
Zweiter Th. J i
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[497/0507] ren, auch der Amtswachmeiſter muſte mit Schanden unten an ſitzen, und im Wirths- hauſe ſeine Diaͤten verzehren. Dies geſchahe gleichfals nicht ohne Kopfſchuͤtteln. Man ſah es dem Peiniger an, daß er gern Ketten und Band’ angelegt haͤtte. — Da ſtand der Juſtizrath, wie von Gott verlaſſen! — Mine wuͤnſchte, nachdem er lange vor ihr als Inculpatus geſtanden, allein zu ſeyn, er ſchwur, er koͤnne nicht von dannen, bis ſie ihm verziehen haͤtte. Mein Gott, was iſt der Menſch? Ein trotzig und verzagt Ding. Wer kann ihn ergruͤnden? Der Deputatus weinte bitterlich. Mine hob ihre halb abgeſtorbene Haͤnd- auf, und blickte den Bußfertigen ſanft laͤ- chelnd an. Ihr Blick ſagte: Sie wuſten nicht, was Sie thaten. Er hatte ſich vorgenommen, ihr einige Fragen, wiewohl außerhalb den Grenzen ſeines Promemorias, zu thun; allein er konnte nicht. — Kommen Sie, ſagte der Prediger, da- mit wir uns nach langem Mißverſtaͤndniß mit Herz und Seele verſtehen. Der Predi- ger erzaͤhlt’ ihm den lezten Theil von Mi- nens Zweiter Th. J i

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/507>, abgerufen am 25.11.2024.