Teufel, sagt' er, deine Schwester muß ein feines Mädel seyn! Die Sache gab zu vie- len satyrischen Fragen, Benjamins Schwe- ster betreffend, Anlaß. Er fragte nach ih- rem Alter? und ob sie denn eine solche Nei- gung zu Juden hätte? Der Schluß war, daß nur ein Stück Spielzeug zurückbehalten wur- de, welches sich der Junker Fritz sogleich zuge- eignet hatte. Der Judenknabe ward losge- lassen; -- Benjamin aber mußte dieser Grosmuth wegen, um der Hochadlichen Herrschaft zur Weynachtszeit ein Vergnü- gen zu machen, dreymal um den großen Tisch hinken, und alles wolte vor Lachen niedersinken. Eine natürliche Polonoise! schrie alles, und lachte, was es konnte; nur der hinkende Benjamin nicht. Der Junker Fritz gab sein Spielzeug der gnädigen Mam- ma zu halten, und versuchte dem Benjamin nachzuspotten, da er aber bey einem Haar ein adliches Bein gebrochen hätte; so blieb es bey einem mahl, und Benjamin sahe nach dem armen Judenknaben, der blas wie eine Leiche stand. Der Tod hätt' ihn bald befreyt, wenn Benjamin dem Tode nicht zuvor gekommen wäre. Benjamin bot dem Judenknaben, so bald sie aus der adlichen
Gesell-
Teufel, ſagt’ er, deine Schweſter muß ein feines Maͤdel ſeyn! Die Sache gab zu vie- len ſatyriſchen Fragen, Benjamins Schwe- ſter betreffend, Anlaß. Er fragte nach ih- rem Alter? und ob ſie denn eine ſolche Nei- gung zu Juden haͤtte? Der Schluß war, daß nur ein Stuͤck Spielzeug zuruͤckbehalten wur- de, welches ſich der Junker Fritz ſogleich zuge- eignet hatte. Der Judenknabe ward losge- laſſen; — Benjamin aber mußte dieſer Grosmuth wegen, um der Hochadlichen Herrſchaft zur Weynachtszeit ein Vergnuͤ- gen zu machen, dreymal um den großen Tiſch hinken, und alles wolte vor Lachen niederſinken. Eine natuͤrliche Polonoiſe! ſchrie alles, und lachte, was es konnte; nur der hinkende Benjamin nicht. Der Junker Fritz gab ſein Spielzeug der gnaͤdigen Mam- ma zu halten, und verſuchte dem Benjamin nachzuſpotten, da er aber bey einem Haar ein adliches Bein gebrochen haͤtte; ſo blieb es bey einem mahl, und Benjamin ſahe nach dem armen Judenknaben, der blas wie eine Leiche ſtand. Der Tod haͤtt’ ihn bald befreyt, wenn Benjamin dem Tode nicht zuvor gekommen waͤre. Benjamin bot dem Judenknaben, ſo bald ſie aus der adlichen
Geſell-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0050"n="44"/>
Teufel, ſagt’ er, deine Schweſter muß ein<lb/>
feines Maͤdel ſeyn! Die Sache gab zu vie-<lb/>
len ſatyriſchen Fragen, Benjamins Schwe-<lb/>ſter betreffend, Anlaß. Er fragte nach ih-<lb/>
rem Alter? und ob ſie denn eine ſolche Nei-<lb/>
gung zu Juden haͤtte? Der Schluß war, daß<lb/>
nur ein Stuͤck Spielzeug zuruͤckbehalten wur-<lb/>
de, welches ſich der Junker Fritz ſogleich zuge-<lb/>
eignet hatte. Der Judenknabe ward losge-<lb/>
laſſen; — Benjamin aber mußte dieſer<lb/>
Grosmuth wegen, um der Hochadlichen<lb/>
Herrſchaft zur Weynachtszeit ein Vergnuͤ-<lb/>
gen zu machen, dreymal um den großen<lb/>
Tiſch hinken, und alles wolte vor Lachen<lb/>
niederſinken. Eine natuͤrliche Polonoiſe!<lb/>ſchrie alles, und lachte, was es konnte; nur<lb/>
der hinkende Benjamin nicht. Der Junker<lb/>
Fritz gab ſein Spielzeug der gnaͤdigen Mam-<lb/>
ma zu halten, und verſuchte dem Benjamin<lb/>
nachzuſpotten, da er aber bey einem Haar<lb/>
ein adliches Bein gebrochen haͤtte; ſo blieb<lb/>
es bey einem mahl, und Benjamin ſahe nach<lb/>
dem armen Judenknaben, der blas wie<lb/>
eine Leiche ſtand. Der Tod haͤtt’ ihn bald<lb/>
befreyt, wenn Benjamin dem Tode nicht<lb/>
zuvor gekommen waͤre. Benjamin bot dem<lb/>
Judenknaben, ſo bald ſie aus der adlichen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Geſell-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[44/0050]
Teufel, ſagt’ er, deine Schweſter muß ein
feines Maͤdel ſeyn! Die Sache gab zu vie-
len ſatyriſchen Fragen, Benjamins Schwe-
ſter betreffend, Anlaß. Er fragte nach ih-
rem Alter? und ob ſie denn eine ſolche Nei-
gung zu Juden haͤtte? Der Schluß war, daß
nur ein Stuͤck Spielzeug zuruͤckbehalten wur-
de, welches ſich der Junker Fritz ſogleich zuge-
eignet hatte. Der Judenknabe ward losge-
laſſen; — Benjamin aber mußte dieſer
Grosmuth wegen, um der Hochadlichen
Herrſchaft zur Weynachtszeit ein Vergnuͤ-
gen zu machen, dreymal um den großen
Tiſch hinken, und alles wolte vor Lachen
niederſinken. Eine natuͤrliche Polonoiſe!
ſchrie alles, und lachte, was es konnte; nur
der hinkende Benjamin nicht. Der Junker
Fritz gab ſein Spielzeug der gnaͤdigen Mam-
ma zu halten, und verſuchte dem Benjamin
nachzuſpotten, da er aber bey einem Haar
ein adliches Bein gebrochen haͤtte; ſo blieb
es bey einem mahl, und Benjamin ſahe nach
dem armen Judenknaben, der blas wie
eine Leiche ſtand. Der Tod haͤtt’ ihn bald
befreyt, wenn Benjamin dem Tode nicht
zuvor gekommen waͤre. Benjamin bot dem
Judenknaben, ſo bald ſie aus der adlichen
Geſell-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/50>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.