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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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blühte, wie eine Rose; allein es fiel auch so
hin, wie sie. Indem sie mit dem Prediger
sprach, sank sie zur Erde. -- -- Vielleicht
daß sie der Theil der Geschichte, den sie zu-
rück behielt, so angrif, vielleicht daß die
Krankheit, wie es öfters geschieht, den Ru-
hepunkt, den sie abgewartet hatte, eben jetzt
erreichet, um auszubrechen. --

Mine bemerkte zwar, daß die Erschei-
nung des Herrn v. E. und seines Gesandten
ihr ganzes Wesen bebend gemacht, und daß
dieser Schreck sie mehr angegriffen, als alles
-- indessen half sie sich wieder auf. Jetzt
aber war ihr Stündlein vorhanden. -- Sie
konnte nicht mehr. Sie sank! -- O Gott!
sie sank! -- Es ist, glaubt mir, lieben
Freunde, mit Leben und Tod eine besondere
Sache. Der Mensch bringt zwar die Ursa-
che seines Todes mit auf die Welt. Er stirbt
an seiner Geburt; allein man könnte behaup-
ten, daß der Tod immer, wie ein Dieb in der
Nacht, immer wie ein Blitz, komme, und
daß man in gewisser Art jederzeit, und auch
als denn noch plötzlich sterbe, wenn man gleich
an einer Lungenkrankheit stirbt. Der Eintritt
dieser Krankheit ist als denn der plözliche Tod,
und sobald diese Sterbenskrankheit eingetre-

ten,

bluͤhte, wie eine Roſe; allein es fiel auch ſo
hin, wie ſie. Indem ſie mit dem Prediger
ſprach, ſank ſie zur Erde. — — Vielleicht
daß ſie der Theil der Geſchichte, den ſie zu-
ruͤck behielt, ſo angrif, vielleicht daß die
Krankheit, wie es oͤfters geſchieht, den Ru-
hepunkt, den ſie abgewartet hatte, eben jetzt
erreichet, um auszubrechen. —

Mine bemerkte zwar, daß die Erſchei-
nung des Herrn v. E. und ſeines Geſandten
ihr ganzes Weſen bebend gemacht, und daß
dieſer Schreck ſie mehr angegriffen, als alles
— indeſſen half ſie ſich wieder auf. Jetzt
aber war ihr Stuͤndlein vorhanden. — Sie
konnte nicht mehr. Sie ſank! — O Gott!
ſie ſank! — Es iſt, glaubt mir, lieben
Freunde, mit Leben und Tod eine beſondere
Sache. Der Menſch bringt zwar die Urſa-
che ſeines Todes mit auf die Welt. Er ſtirbt
an ſeiner Geburt; allein man koͤnnte behaup-
ten, daß der Tod immer, wie ein Dieb in der
Nacht, immer wie ein Blitz, komme, und
daß man in gewiſſer Art jederzeit, und auch
als denn noch ploͤtzlich ſterbe, wenn man gleich
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[412/0422] bluͤhte, wie eine Roſe; allein es fiel auch ſo hin, wie ſie. Indem ſie mit dem Prediger ſprach, ſank ſie zur Erde. — — Vielleicht daß ſie der Theil der Geſchichte, den ſie zu- ruͤck behielt, ſo angrif, vielleicht daß die Krankheit, wie es oͤfters geſchieht, den Ru- hepunkt, den ſie abgewartet hatte, eben jetzt erreichet, um auszubrechen. — Mine bemerkte zwar, daß die Erſchei- nung des Herrn v. E. und ſeines Geſandten ihr ganzes Weſen bebend gemacht, und daß dieſer Schreck ſie mehr angegriffen, als alles — indeſſen half ſie ſich wieder auf. Jetzt aber war ihr Stuͤndlein vorhanden. — Sie konnte nicht mehr. Sie ſank! — O Gott! ſie ſank! — Es iſt, glaubt mir, lieben Freunde, mit Leben und Tod eine beſondere Sache. Der Menſch bringt zwar die Urſa- che ſeines Todes mit auf die Welt. Er ſtirbt an ſeiner Geburt; allein man koͤnnte behaup- ten, daß der Tod immer, wie ein Dieb in der Nacht, immer wie ein Blitz, komme, und daß man in gewiſſer Art jederzeit, und auch als denn noch ploͤtzlich ſterbe, wenn man gleich an einer Lungenkrankheit ſtirbt. Der Eintritt dieſer Krankheit iſt als denn der ploͤzliche Tod, und ſobald dieſe Sterbenskrankheit eingetre- ten,

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/422>, abgerufen am 05.07.2024.