ein, diese Trostworte, wie Thau auf einer welken Pflanze. --
Bey der dritten Strophe regnet' es schon:
Es ist allhier ein Jammerthal, Angst, Noth und Trübsal überall; des Bleibens ist eine kleine Zeit, voll Mühseligkeit! --
Was ist der Mensch? Ein Erdenkloß, von Mutterleibe nackt und blos; bringt nichts mit sich auf diese Welt, kein Gut noch Geld, nimmt nichts mit sich, wenn er hinfält.
Ich hab hier wenig guter Tag; mein täglich Brod ist Müh und Klag, wenn mein Gott will, so will ich mit hinfahren in Fried! --
O lieber Junge! singe, wenn du dieses ließt. -- Gott weiß, wenn du es lesen wirst, singe dieses schöne Regenlied! --
Deines Vaters Predigt war Vollendung für mich, wie auf mich gemacht. Wort für Wort auf mich. O lieber Junge, wie glücklich ist man, wenn man todt ist -- wie namlos glücklich! --
Er kam ohne Gebet mit den Worten auf die Kanzel:
"Geh
ein, dieſe Troſtworte, wie Thau auf einer welken Pflanze. —
Bey der dritten Strophe regnet’ es ſchon:
Es iſt allhier ein Jammerthal, Angſt, Noth und Truͤbſal uͤberall; des Bleibens iſt eine kleine Zeit, voll Muͤhſeligkeit! —
Was iſt der Menſch? Ein Erdenkloß, von Mutterleibe nackt und blos; bringt nichts mit ſich auf dieſe Welt, kein Gut noch Geld, nimmt nichts mit ſich, wenn er hinfaͤlt.
Ich hab hier wenig guter Tag; mein taͤglich Brod iſt Muͤh und Klag, wenn mein Gott will, ſo will ich mit hinfahren in Fried! —
O lieber Junge! ſinge, wenn du dieſes ließt. — Gott weiß, wenn du es leſen wirſt, ſinge dieſes ſchoͤne Regenlied! —
Deines Vaters Predigt war Vollendung fuͤr mich, wie auf mich gemacht. Wort fuͤr Wort auf mich. O lieber Junge, wie gluͤcklich iſt man, wenn man todt iſt — wie namlos gluͤcklich! —
Er kam ohne Gebet mit den Worten auf die Kanzel:
„Geh
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ein, dieſe Troſtworte, wie Thau auf einer
welken Pflanze. —
Bey der dritten Strophe regnet’ es ſchon:
Es iſt allhier ein Jammerthal,
Angſt, Noth und Truͤbſal uͤberall;
des Bleibens iſt eine kleine Zeit,
voll Muͤhſeligkeit! —
Was iſt der Menſch? Ein Erdenkloß,
von Mutterleibe nackt und blos;
bringt nichts mit ſich auf dieſe Welt,
kein Gut noch Geld,
nimmt nichts mit ſich, wenn er hinfaͤlt.
Ich hab hier wenig guter Tag;
mein taͤglich Brod iſt Muͤh und Klag,
wenn mein Gott will, ſo will ich mit
hinfahren in Fried! —
O lieber Junge! ſinge, wenn du dieſes
ließt. — Gott weiß, wenn du es leſen wirſt,
ſinge dieſes ſchoͤne Regenlied! —
Deines Vaters Predigt war Vollendung
fuͤr mich, wie auf mich gemacht. Wort
fuͤr Wort auf mich. O lieber Junge, wie
gluͤcklich iſt man, wenn man todt iſt — wie
namlos gluͤcklich! —
Er kam ohne Gebet mit den Worten auf
die Kanzel:
„Geh
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/373>, abgerufen am 22.11.2024.
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