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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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oben ein rächt' er sich an meiner Mutter,
ohne daß sie wußte, von wannen es kam.


"Da lesen Sie selbst! hochzuehrende Frau
Pastorin. Sie kennen Bild und Uberschrift
-- wahrlich ein unwürdiger Sohn einer so
würdigen gottesfürchtigen Mutter, die ge-
nug für ihn gebetet und gesungen hat! So
viel ist indessen gewiß, daß er nicht der Ver-
führer, sondern der Verführte sey. Retten
Sie seine Seele, die im Argen liegt, und
machen Sie, daß er sie aus dem Argen ziehe,
und in seinen Händen trage. -- Die ganze
Gegend, und vorzüglich die in derselben, so
seine Predigt angehöret, ziehen über ihn die
Achseln. Man glaubt, er habe Wilhelmi-
nen ein lebendiges Andenken zurückgelassen.
Das wolle der Himmel nicht! Indessen wär'
aus den Worten: Mann und Weib, du
und du,
auf ein dergleichen im Verborgenen
gebildetes Andenken, dem Sie, hochzueh-
rende Frau Pastorin! gewiß den Namen
Großkind entziehen würden, nicht unsicher zu
schließen. -- Das best' ist, Wilhelminen --
den Kauf aufzukündigen, und ihr bey Hän-

gen
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oben ein raͤcht’ er ſich an meiner Mutter,
ohne daß ſie wußte, von wannen es kam.


Da leſen Sie ſelbſt! hochzuehrende Frau
Paſtorin. Sie kennen Bild und Uberſchrift
— wahrlich ein unwuͤrdiger Sohn einer ſo
wuͤrdigen gottesfuͤrchtigen Mutter, die ge-
nug fuͤr ihn gebetet und geſungen hat! So
viel iſt indeſſen gewiß, daß er nicht der Ver-
fuͤhrer, ſondern der Verfuͤhrte ſey. Retten
Sie ſeine Seele, die im Argen liegt, und
machen Sie, daß er ſie aus dem Argen ziehe,
und in ſeinen Haͤnden trage. — Die ganze
Gegend, und vorzuͤglich die in derſelben, ſo
ſeine Predigt angehoͤret, ziehen uͤber ihn die
Achſeln. Man glaubt, er habe Wilhelmi-
nen ein lebendiges Andenken zuruͤckgelaſſen.
Das wolle der Himmel nicht! Indeſſen waͤr’
aus den Worten: Mann und Weib, du
und du,
auf ein dergleichen im Verborgenen
gebildetes Andenken, dem Sie, hochzueh-
rende Frau Paſtorin! gewiß den Namen
Großkind entziehen wuͤrden, nicht unſicher zu
ſchließen. — Das beſt’ iſt, Wilhelminen —
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gen
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[327/0335] oben ein raͤcht’ er ſich an meiner Mutter, ohne daß ſie wußte, von wannen es kam. „Da leſen Sie ſelbſt! hochzuehrende Frau Paſtorin. Sie kennen Bild und Uberſchrift — wahrlich ein unwuͤrdiger Sohn einer ſo wuͤrdigen gottesfuͤrchtigen Mutter, die ge- nug fuͤr ihn gebetet und geſungen hat! So viel iſt indeſſen gewiß, daß er nicht der Ver- fuͤhrer, ſondern der Verfuͤhrte ſey. Retten Sie ſeine Seele, die im Argen liegt, und machen Sie, daß er ſie aus dem Argen ziehe, und in ſeinen Haͤnden trage. — Die ganze Gegend, und vorzuͤglich die in derſelben, ſo ſeine Predigt angehoͤret, ziehen uͤber ihn die Achſeln. Man glaubt, er habe Wilhelmi- nen ein lebendiges Andenken zuruͤckgelaſſen. Das wolle der Himmel nicht! Indeſſen waͤr’ aus den Worten: Mann und Weib, du und du, auf ein dergleichen im Verborgenen gebildetes Andenken, dem Sie, hochzueh- rende Frau Paſtorin! gewiß den Namen Großkind entziehen wuͤrden, nicht unſicher zu ſchließen. — Das beſt’ iſt, Wilhelminen — den Kauf aufzukuͤndigen, und ihr bey Haͤn- gen X 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/335>, abgerufen am 13.05.2024.