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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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nig erforderlich gewesen seyn, weil er gewiß
keine große Summe zu verlieren hatte; in-
dessen sahe man aus allem, daß, so bereiset
er gleich war, er selten eine so schöne Gegend,
als Minchen, gefunden, obgleich er ein gan-
zes rundes Jahr in Paris gewesen.

Da er ohne und mit den drey Gläsern
gesehen, daß Minchen kein bonum vacans,
(erbloses lediges Gut,) wobey der Dieb gal-
genfrey stehlen kann, sondern zu tugendhaft
wär', um sein aller Allerliebst zu beherzigen;
so fand er nöthig, einen andern Weg einzu-
schlagen, und diese Festung, nach seinem
Ausdruck, die nicht im Sturm übergieng,
durch List einzunehmen. --

Nachdem ich das Testament, fieng er
an, genau erwogen, find ich Ihre Schei-
dung von Denen so leicht nicht, gnädige
Mutter, als zuvor.

(Herrmann und Dene gegenwärtig.)

Das dacht' ich wohl, erwiederte Frau
v. E. in ihrer Unschuld. Ein Testament ist
ein Testament. -- Es ist der Wille eines
Vaters! eines Gemahls! der lezte Wille --
und ich glaube nicht, daß sie sich von Denen
so leicht zu trennen im Stande sind. --

Die

nig erforderlich geweſen ſeyn, weil er gewiß
keine große Summe zu verlieren hatte; in-
deſſen ſahe man aus allem, daß, ſo bereiſet
er gleich war, er ſelten eine ſo ſchoͤne Gegend,
als Minchen, gefunden, obgleich er ein gan-
zes rundes Jahr in Paris geweſen.

Da er ohne und mit den drey Glaͤſern
geſehen, daß Minchen kein bonum vacans,
(erbloſes lediges Gut,) wobey der Dieb gal-
genfrey ſtehlen kann, ſondern zu tugendhaft
waͤr’, um ſein aller Allerliebſt zu beherzigen;
ſo fand er noͤthig, einen andern Weg einzu-
ſchlagen, und dieſe Feſtung, nach ſeinem
Ausdruck, die nicht im Sturm uͤbergieng,
durch Liſt einzunehmen. —

Nachdem ich das Teſtament, fieng er
an, genau erwogen, find ich Ihre Schei-
dung von Denen ſo leicht nicht, gnaͤdige
Mutter, als zuvor.

(Herrmann und Dene gegenwaͤrtig.)

Das dacht’ ich wohl, erwiederte Frau
v. E. in ihrer Unſchuld. Ein Teſtament iſt
ein Teſtament. — Es iſt der Wille eines
Vaters! eines Gemahls! der lezte Wille —
und ich glaube nicht, daß ſie ſich von Denen
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[312/0320] nig erforderlich geweſen ſeyn, weil er gewiß keine große Summe zu verlieren hatte; in- deſſen ſahe man aus allem, daß, ſo bereiſet er gleich war, er ſelten eine ſo ſchoͤne Gegend, als Minchen, gefunden, obgleich er ein gan- zes rundes Jahr in Paris geweſen. Da er ohne und mit den drey Glaͤſern geſehen, daß Minchen kein bonum vacans, (erbloſes lediges Gut,) wobey der Dieb gal- genfrey ſtehlen kann, ſondern zu tugendhaft waͤr’, um ſein aller Allerliebſt zu beherzigen; ſo fand er noͤthig, einen andern Weg einzu- ſchlagen, und dieſe Feſtung, nach ſeinem Ausdruck, die nicht im Sturm uͤbergieng, durch Liſt einzunehmen. — Nachdem ich das Teſtament, fieng er an, genau erwogen, find ich Ihre Schei- dung von Denen ſo leicht nicht, gnaͤdige Mutter, als zuvor. (Herrmann und Dene gegenwaͤrtig.) Das dacht’ ich wohl, erwiederte Frau v. E. in ihrer Unſchuld. Ein Teſtament iſt ein Teſtament. — Es iſt der Wille eines Vaters! eines Gemahls! der lezte Wille — und ich glaube nicht, daß ſie ſich von Denen ſo leicht zu trennen im Stande ſind. — Die

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/320>, abgerufen am 13.05.2024.