nig erforderlich gewesen seyn, weil er gewiß keine große Summe zu verlieren hatte; in- dessen sahe man aus allem, daß, so bereiset er gleich war, er selten eine so schöne Gegend, als Minchen, gefunden, obgleich er ein gan- zes rundes Jahr in Paris gewesen.
Da er ohne und mit den drey Gläsern gesehen, daß Minchen kein bonum vacans, (erbloses lediges Gut,) wobey der Dieb gal- genfrey stehlen kann, sondern zu tugendhaft wär', um sein aller Allerliebst zu beherzigen; so fand er nöthig, einen andern Weg einzu- schlagen, und diese Festung, nach seinem Ausdruck, die nicht im Sturm übergieng, durch List einzunehmen. --
Nachdem ich das Testament, fieng er an, genau erwogen, find ich Ihre Schei- dung von Denen so leicht nicht, gnädige Mutter, als zuvor.
(Herrmann und Dene gegenwärtig.)
Das dacht' ich wohl, erwiederte Frau v. E. in ihrer Unschuld. Ein Testament ist ein Testament. -- Es ist der Wille eines Vaters! eines Gemahls! der lezte Wille -- und ich glaube nicht, daß sie sich von Denen so leicht zu trennen im Stande sind. --
Die
nig erforderlich geweſen ſeyn, weil er gewiß keine große Summe zu verlieren hatte; in- deſſen ſahe man aus allem, daß, ſo bereiſet er gleich war, er ſelten eine ſo ſchoͤne Gegend, als Minchen, gefunden, obgleich er ein gan- zes rundes Jahr in Paris geweſen.
Da er ohne und mit den drey Glaͤſern geſehen, daß Minchen kein bonum vacans, (erbloſes lediges Gut,) wobey der Dieb gal- genfrey ſtehlen kann, ſondern zu tugendhaft waͤr’, um ſein aller Allerliebſt zu beherzigen; ſo fand er noͤthig, einen andern Weg einzu- ſchlagen, und dieſe Feſtung, nach ſeinem Ausdruck, die nicht im Sturm uͤbergieng, durch Liſt einzunehmen. —
Nachdem ich das Teſtament, fieng er an, genau erwogen, find ich Ihre Schei- dung von Denen ſo leicht nicht, gnaͤdige Mutter, als zuvor.
(Herrmann und Dene gegenwaͤrtig.)
Das dacht’ ich wohl, erwiederte Frau v. E. in ihrer Unſchuld. Ein Teſtament iſt ein Teſtament. — Es iſt der Wille eines Vaters! eines Gemahls! der lezte Wille — und ich glaube nicht, daß ſie ſich von Denen ſo leicht zu trennen im Stande ſind. —
Die
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nig erforderlich geweſen ſeyn, weil er gewiß
keine große Summe zu verlieren hatte; in-
deſſen ſahe man aus allem, daß, ſo bereiſet
er gleich war, er ſelten eine ſo ſchoͤne Gegend,
als Minchen, gefunden, obgleich er ein gan-
zes rundes Jahr in Paris geweſen.
Da er ohne und mit den drey Glaͤſern
geſehen, daß Minchen kein bonum vacans,
(erbloſes lediges Gut,) wobey der Dieb gal-
genfrey ſtehlen kann, ſondern zu tugendhaft
waͤr’, um ſein aller Allerliebſt zu beherzigen;
ſo fand er noͤthig, einen andern Weg einzu-
ſchlagen, und dieſe Feſtung, nach ſeinem
Ausdruck, die nicht im Sturm uͤbergieng,
durch Liſt einzunehmen. —
Nachdem ich das Teſtament, fieng er
an, genau erwogen, find ich Ihre Schei-
dung von Denen ſo leicht nicht, gnaͤdige
Mutter, als zuvor.
(Herrmann und Dene gegenwaͤrtig.)
Das dacht’ ich wohl, erwiederte Frau
v. E. in ihrer Unſchuld. Ein Teſtament iſt
ein Teſtament. — Es iſt der Wille eines
Vaters! eines Gemahls! der lezte Wille —
und ich glaube nicht, daß ſie ſich von Denen
ſo leicht zu trennen im Stande ſind. —
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/320>, abgerufen am 22.11.2024.
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