mich zu faßen, jemehr verlier' ich das Gleich- gewicht. -- Fast glaub' ich, daß die Faßung so schnell komme, als der Schreck, die Hülfe wie die Krankheit, und wenn alle Faßung nur Betäubung wäre? --
Der Gedanke hat mich am meisten in die- sen drey heiligen Tagen erfrischt, daß es Tu- genden gäbe, die es nicht geben würde, wenn nicht böse Menschen in der Welt wären. Wahrlich, die größten Tugenden werden hie- durch an Tageslicht gebracht. -- Durch Schatten wird das Bild erhöht. Es ist, ich gesteh' es gern, dieses eben nicht einer von den Gedanken, die einer göttlichen Eingebung nahe kommen; allein wenn Noth am Mann ist, schmeckt Haußmannskost am besten, und bekommt auch so. -- Der Unglückliche, der Furchtsame, glaubt alles, wenn es nur Trost enthält. --
Fluchen will ich dem Herrmann nicht; allein ich will treu befunden werden.
Von dem ersten Tag' an, da meine Leser den alten Herrn kennen lernten, fanden sie einen Mann, (kaum kann das Wort Mann von jemanden gebraucht werden, der sich nicht nach seiner Decke zu strecken versteht. -- Doch Minchens wegen --) einen Mann,
der
S 3
mich zu faßen, jemehr verlier’ ich das Gleich- gewicht. — Faſt glaub’ ich, daß die Faßung ſo ſchnell komme, als der Schreck, die Huͤlfe wie die Krankheit, und wenn alle Faßung nur Betaͤubung waͤre? —
Der Gedanke hat mich am meiſten in die- ſen drey heiligen Tagen erfriſcht, daß es Tu- genden gaͤbe, die es nicht geben wuͤrde, wenn nicht boͤſe Menſchen in der Welt waͤren. Wahrlich, die groͤßten Tugenden werden hie- durch an Tageslicht gebracht. — Durch Schatten wird das Bild erhoͤht. Es iſt, ich geſteh’ es gern, dieſes eben nicht einer von den Gedanken, die einer goͤttlichen Eingebung nahe kommen; allein wenn Noth am Mann iſt, ſchmeckt Haußmannskoſt am beſten, und bekommt auch ſo. — Der Ungluͤckliche, der Furchtſame, glaubt alles, wenn es nur Troſt enthaͤlt. —
Fluchen will ich dem Herrmann nicht; allein ich will treu befunden werden.
Von dem erſten Tag’ an, da meine Leſer den alten Herrn kennen lernten, fanden ſie einen Mann, (kaum kann das Wort Mann von jemanden gebraucht werden, der ſich nicht nach ſeiner Decke zu ſtrecken verſteht. — Doch Minchens wegen —) einen Mann,
der
S 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0285"n="277"/>
mich zu faßen, jemehr verlier’ ich das Gleich-<lb/>
gewicht. — Faſt glaub’ ich, daß die Faßung<lb/>ſo ſchnell komme, als der Schreck, die Huͤlfe<lb/>
wie die Krankheit, und wenn alle Faßung<lb/>
nur Betaͤubung waͤre? —</p><lb/><p>Der Gedanke hat mich am meiſten in die-<lb/>ſen drey heiligen Tagen erfriſcht, daß es Tu-<lb/>
genden gaͤbe, die es nicht geben wuͤrde, wenn<lb/>
nicht boͤſe Menſchen in der Welt waͤren.<lb/>
Wahrlich, die groͤßten Tugenden werden hie-<lb/>
durch an Tageslicht gebracht. — Durch<lb/>
Schatten wird das Bild erhoͤht. Es iſt, ich<lb/>
geſteh’ es gern, dieſes eben nicht einer von<lb/>
den Gedanken, die einer goͤttlichen Eingebung<lb/>
nahe kommen; allein wenn Noth am Mann<lb/>
iſt, ſchmeckt Haußmannskoſt am beſten, und<lb/>
bekommt auch ſo. — Der Ungluͤckliche, der<lb/>
Furchtſame, glaubt alles, wenn es nur<lb/>
Troſt enthaͤlt. —</p><lb/><p>Fluchen will ich dem Herrmann nicht;<lb/>
allein ich will treu <hirendition="#fr">befunden</hi> werden.</p><lb/><p>Von dem erſten Tag’ an, da meine Leſer<lb/>
den alten Herrn kennen lernten, fanden ſie<lb/>
einen Mann, (kaum kann das Wort Mann<lb/>
von jemanden gebraucht werden, der ſich<lb/>
nicht nach ſeiner Decke zu ſtrecken verſteht. —<lb/>
Doch Minchens wegen —) einen Mann,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">S 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">der</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[277/0285]
mich zu faßen, jemehr verlier’ ich das Gleich-
gewicht. — Faſt glaub’ ich, daß die Faßung
ſo ſchnell komme, als der Schreck, die Huͤlfe
wie die Krankheit, und wenn alle Faßung
nur Betaͤubung waͤre? —
Der Gedanke hat mich am meiſten in die-
ſen drey heiligen Tagen erfriſcht, daß es Tu-
genden gaͤbe, die es nicht geben wuͤrde, wenn
nicht boͤſe Menſchen in der Welt waͤren.
Wahrlich, die groͤßten Tugenden werden hie-
durch an Tageslicht gebracht. — Durch
Schatten wird das Bild erhoͤht. Es iſt, ich
geſteh’ es gern, dieſes eben nicht einer von
den Gedanken, die einer goͤttlichen Eingebung
nahe kommen; allein wenn Noth am Mann
iſt, ſchmeckt Haußmannskoſt am beſten, und
bekommt auch ſo. — Der Ungluͤckliche, der
Furchtſame, glaubt alles, wenn es nur
Troſt enthaͤlt. —
Fluchen will ich dem Herrmann nicht;
allein ich will treu befunden werden.
Von dem erſten Tag’ an, da meine Leſer
den alten Herrn kennen lernten, fanden ſie
einen Mann, (kaum kann das Wort Mann
von jemanden gebraucht werden, der ſich
nicht nach ſeiner Decke zu ſtrecken verſteht. —
Doch Minchens wegen —) einen Mann,
der
S 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/285>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.