fahrungsphilosophie. Empirische und ratio- nale, und damit die Eintheilung in Rück- sicht des Objekts nicht vernachläßiget wer- de -- Philosophie der engelreinen Vernunft, und der menschlichen Sinne. Die Philosophie der Sinne heißt die Naturlehre. Die Sin- ne sind zwiefach, innerlich und äußerlich. Was ich mit dem innerlichen Sinn gewahr werde, ist einzig und allein meine Seele. Also giebts Seelennaturlehre und Körperna- turlehre. -- Empirisch und rational kann jene und diese seyn, und was kann nicht alles so seyn? -- -- Ich kann zwar nur mit mir selbst Seelenbetrachtungen anstellen; allein ich kann nach dem Kennzeichen der Ueberein- stimmung auf andre schließen. Welch ein großes Wort: lern dich selbst kennen! -- Mancher Philosoph, der sich auf die Seelen- naturlehre legt, und viel drinn philosophirt, kommt endlich zu einer Art nota bene, zu einer Art von Geisterseherey, von Anschauung vom Platonismus und mystischen Wesen. Er wird entzückt, und wenn man gleich mit dem Verstande nicht sehen, sondern nur denken kann; so ist er doch in einer Verfassung, wo es heißen könnte: Es hat kein Auge gesehen, kein Ohr gehört, es ist in keines Menschen
Herz
fahrungsphiloſophie. Empiriſche und ratio- nale, und damit die Eintheilung in Ruͤck- ſicht des Objekts nicht vernachlaͤßiget wer- de — Philoſophie der engelreinen Vernunft, und der menſchlichen Sinne. Die Philoſophie der Sinne heißt die Naturlehre. Die Sin- ne ſind zwiefach, innerlich und aͤußerlich. Was ich mit dem innerlichen Sinn gewahr werde, iſt einzig und allein meine Seele. Alſo giebts Seelennaturlehre und Koͤrperna- turlehre. — Empiriſch und rational kann jene und dieſe ſeyn, und was kann nicht alles ſo ſeyn? — — Ich kann zwar nur mit mir ſelbſt Seelenbetrachtungen anſtellen; allein ich kann nach dem Kennzeichen der Ueberein- ſtimmung auf andre ſchließen. Welch ein großes Wort: lern dich ſelbſt kennen! — Mancher Philoſoph, der ſich auf die Seelen- naturlehre legt, und viel drinn philoſophirt, kommt endlich zu einer Art nota bene, zu einer Art von Geiſterſeherey, von Anſchauung vom Platonismus und myſtiſchen Weſen. Er wird entzuͤckt, und wenn man gleich mit dem Verſtande nicht ſehen, ſondern nur denken kann; ſo iſt er doch in einer Verfaſſung, wo es heißen koͤnnte: Es hat kein Auge geſehen, kein Ohr gehoͤrt, es iſt in keines Menſchen
Herz
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0238"n="230"/>
fahrungsphiloſophie. Empiriſche und ratio-<lb/>
nale, und damit die Eintheilung in Ruͤck-<lb/>ſicht des Objekts nicht vernachlaͤßiget wer-<lb/>
de — Philoſophie der engelreinen Vernunft,<lb/>
und der menſchlichen Sinne. Die Philoſophie<lb/>
der Sinne heißt die Naturlehre. Die Sin-<lb/>
ne ſind zwiefach, innerlich und aͤußerlich.<lb/>
Was ich mit dem innerlichen Sinn gewahr<lb/>
werde, iſt einzig und allein meine Seele.<lb/>
Alſo giebts Seelennaturlehre und Koͤrperna-<lb/>
turlehre. — Empiriſch und rational kann<lb/>
jene und dieſe ſeyn, und was kann nicht alles<lb/>ſo ſeyn? —— Ich kann zwar nur mit mir<lb/>ſelbſt Seelenbetrachtungen anſtellen; allein<lb/>
ich kann nach dem Kennzeichen der Ueberein-<lb/>ſtimmung auf andre ſchließen. Welch ein<lb/>
großes Wort: <hirendition="#fr">lern dich ſelbſt kennen!</hi>—<lb/>
Mancher Philoſoph, der ſich auf die Seelen-<lb/>
naturlehre legt, und viel drinn philoſophirt,<lb/>
kommt endlich zu einer Art <hirendition="#aq">nota bene,</hi> zu<lb/>
einer Art von Geiſterſeherey, von Anſchauung<lb/>
vom Platonismus und myſtiſchen Weſen. Er<lb/>
wird entzuͤckt, und wenn man gleich mit dem<lb/>
Verſtande nicht ſehen, ſondern nur denken<lb/>
kann; ſo iſt er doch in einer Verfaſſung, wo<lb/>
es heißen koͤnnte: Es hat kein Auge geſehen,<lb/>
kein Ohr gehoͤrt, es iſt in keines Menſchen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Herz</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[230/0238]
fahrungsphiloſophie. Empiriſche und ratio-
nale, und damit die Eintheilung in Ruͤck-
ſicht des Objekts nicht vernachlaͤßiget wer-
de — Philoſophie der engelreinen Vernunft,
und der menſchlichen Sinne. Die Philoſophie
der Sinne heißt die Naturlehre. Die Sin-
ne ſind zwiefach, innerlich und aͤußerlich.
Was ich mit dem innerlichen Sinn gewahr
werde, iſt einzig und allein meine Seele.
Alſo giebts Seelennaturlehre und Koͤrperna-
turlehre. — Empiriſch und rational kann
jene und dieſe ſeyn, und was kann nicht alles
ſo ſeyn? — — Ich kann zwar nur mit mir
ſelbſt Seelenbetrachtungen anſtellen; allein
ich kann nach dem Kennzeichen der Ueberein-
ſtimmung auf andre ſchließen. Welch ein
großes Wort: lern dich ſelbſt kennen! —
Mancher Philoſoph, der ſich auf die Seelen-
naturlehre legt, und viel drinn philoſophirt,
kommt endlich zu einer Art nota bene, zu
einer Art von Geiſterſeherey, von Anſchauung
vom Platonismus und myſtiſchen Weſen. Er
wird entzuͤckt, und wenn man gleich mit dem
Verſtande nicht ſehen, ſondern nur denken
kann; ſo iſt er doch in einer Verfaſſung, wo
es heißen koͤnnte: Es hat kein Auge geſehen,
kein Ohr gehoͤrt, es iſt in keines Menſchen
Herz
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/238>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.