Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

also, mein Vater: ich glaub, daß das Den-
ken im monarchischen Staat, und das Re-
den im Freyen zu Hause gehöre, oft auch
das thun, -- so wie ein Sclave nur eigent-
lich unverschämt seyn kann; im freyen Staat
kennt man dies Wort nicht. --

Meine Leser werden ohne Fingerzeig ein-
sehen, daß ich dieses nicht auf dem grünen
Platz schreibe, sondern in einem Staat. --
Bald hätt' ich zu viel gesagt. Ich empfand
auf diesem grünen Platz, und zwischen em-
pfinden und denken ist oft so ein Unterschied,
wie zwischen wachen und träumen. Ein
schöner Traum! ich gäb' einen Tag drum
unbesehens. --

Meine Empfindungen wurden den Preus-
sen, dem Fuhrmann und seinem Untergebe-
nen zu lange. -- Ich schlief ihnen zu viel.
Sie schrien mich heraus, und gaben mir zu
verstehen, daß hier guter Weg sey, wo der
Wagen ohne Noth aufgehalten würde, und
daß schon Stellen vorfallen würden, wo ich
Gelegenheit haben würde, mich zur Ruhe zu
begeben. (eigentlich zu empfinden.)

So gründlich gleich diese Aufforderung
war, so verdroß mich doch dieses Commando,
und ich konnte nicht umhin, ich weiß selbst

nicht

alſo, mein Vater: ich glaub, daß das Den-
ken im monarchiſchen Staat, und das Re-
den im Freyen zu Hauſe gehoͤre, oft auch
das thun, — ſo wie ein Sclave nur eigent-
lich unverſchaͤmt ſeyn kann; im freyen Staat
kennt man dies Wort nicht. —

Meine Leſer werden ohne Fingerzeig ein-
ſehen, daß ich dieſes nicht auf dem gruͤnen
Platz ſchreibe, ſondern in einem Staat. —
Bald haͤtt’ ich zu viel geſagt. Ich empfand
auf dieſem gruͤnen Platz, und zwiſchen em-
pfinden und denken iſt oft ſo ein Unterſchied,
wie zwiſchen wachen und traͤumen. Ein
ſchoͤner Traum! ich gaͤb’ einen Tag drum
unbeſehens. —

Meine Empfindungen wurden den Preuſ-
ſen, dem Fuhrmann und ſeinem Untergebe-
nen zu lange. — Ich ſchlief ihnen zu viel.
Sie ſchrien mich heraus, und gaben mir zu
verſtehen, daß hier guter Weg ſey, wo der
Wagen ohne Noth aufgehalten wuͤrde, und
daß ſchon Stellen vorfallen wuͤrden, wo ich
Gelegenheit haben wuͤrde, mich zur Ruhe zu
begeben. (eigentlich zu empfinden.)

So gruͤndlich gleich dieſe Aufforderung
war, ſo verdroß mich doch dieſes Commando,
und ich konnte nicht umhin, ich weiß ſelbſt

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0181" n="173"/>
al&#x017F;o, mein Vater: ich glaub, daß das Den-<lb/>
ken im monarchi&#x017F;chen Staat, und das Re-<lb/>
den im Freyen zu Hau&#x017F;e geho&#x0364;re, oft auch<lb/>
das thun, &#x2014; &#x017F;o wie ein Sclave nur eigent-<lb/>
lich unver&#x017F;cha&#x0364;mt &#x017F;eyn kann; im freyen Staat<lb/>
kennt man dies Wort nicht. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Meine Le&#x017F;er werden ohne Fingerzeig ein-<lb/>
&#x017F;ehen, daß ich die&#x017F;es nicht auf dem gru&#x0364;nen<lb/>
Platz &#x017F;chreibe, &#x017F;ondern in einem Staat. &#x2014;<lb/>
Bald ha&#x0364;tt&#x2019; ich zu viel ge&#x017F;agt. Ich empfand<lb/>
auf die&#x017F;em gru&#x0364;nen Platz, und zwi&#x017F;chen em-<lb/>
pfinden und denken i&#x017F;t oft &#x017F;o ein Unter&#x017F;chied,<lb/>
wie zwi&#x017F;chen wachen und tra&#x0364;umen. Ein<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ner Traum! ich ga&#x0364;b&#x2019; einen Tag drum<lb/>
unbe&#x017F;ehens. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Meine Empfindungen wurden den Preu&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, dem Fuhrmann und &#x017F;einem Untergebe-<lb/>
nen zu lange. &#x2014; Ich &#x017F;chlief ihnen zu viel.<lb/>
Sie &#x017F;chrien mich heraus, und gaben mir zu<lb/>
ver&#x017F;tehen, daß hier guter Weg &#x017F;ey, wo der<lb/>
Wagen ohne Noth aufgehalten wu&#x0364;rde, und<lb/>
daß &#x017F;chon Stellen vorfallen wu&#x0364;rden, wo ich<lb/>
Gelegenheit haben wu&#x0364;rde, mich zur Ruhe zu<lb/>
begeben. (eigentlich zu empfinden.)</p><lb/>
          <p>So gru&#x0364;ndlich gleich die&#x017F;e Aufforderung<lb/>
war, &#x017F;o verdroß mich doch die&#x017F;es Commando,<lb/>
und ich konnte nicht umhin, ich weiß &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0181] alſo, mein Vater: ich glaub, daß das Den- ken im monarchiſchen Staat, und das Re- den im Freyen zu Hauſe gehoͤre, oft auch das thun, — ſo wie ein Sclave nur eigent- lich unverſchaͤmt ſeyn kann; im freyen Staat kennt man dies Wort nicht. — Meine Leſer werden ohne Fingerzeig ein- ſehen, daß ich dieſes nicht auf dem gruͤnen Platz ſchreibe, ſondern in einem Staat. — Bald haͤtt’ ich zu viel geſagt. Ich empfand auf dieſem gruͤnen Platz, und zwiſchen em- pfinden und denken iſt oft ſo ein Unterſchied, wie zwiſchen wachen und traͤumen. Ein ſchoͤner Traum! ich gaͤb’ einen Tag drum unbeſehens. — Meine Empfindungen wurden den Preuſ- ſen, dem Fuhrmann und ſeinem Untergebe- nen zu lange. — Ich ſchlief ihnen zu viel. Sie ſchrien mich heraus, und gaben mir zu verſtehen, daß hier guter Weg ſey, wo der Wagen ohne Noth aufgehalten wuͤrde, und daß ſchon Stellen vorfallen wuͤrden, wo ich Gelegenheit haben wuͤrde, mich zur Ruhe zu begeben. (eigentlich zu empfinden.) So gruͤndlich gleich dieſe Aufforderung war, ſo verdroß mich doch dieſes Commando, und ich konnte nicht umhin, ich weiß ſelbſt nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/181
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/181>, abgerufen am 09.10.2024.