Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

"nicht von ihnen sind, zu verläumden, zu
"schänden, zu verfolgen. Der Gehor-
"sam
, den sie ihren eigenen Lüsten leisten. --"

Es war allerliebst anzusehen, wie sich
Herr v. G. und mein Vater bey dieser Ver-
lesung gebehrdeten.

Als ob, sagte mein Vater. Ja wohl,
antwortete Herr v. G. Es ward bey die-
ser Gelegenheit eine Geschichte folgendes In-
halts eingeschaltet:

Eine Person weiblichen Geschlechts, die
ihrer gesegneten Umstände wegen, Gewis-
sensschmerzen empfand, und eben darum
in den andächtigen Erquickungsstunden nach
Trost liebäugelte, weil sie Pein in dieser
Flamme litt; hört' in diesen pietistischen Zu-
sammenkünften ohne End und Ziel vom
verkehrten Herzen reden. Sie kam nie-
der! und siehe da! ein Kind mit einem
verkehrten Herzen!

Es hat dieses Kind (nach dem Bericht
des Candidaten, der diese verkehrte Herzens-
geschichte von Universitäten mitgebracht,)
nur drey Tage gelebt. Seine Mutter folgt'
ihm, und zwar ebenfals nach drey Tagen,
von diesem Todestage an gerechnet. Sie
verbat indessen sorgfältig im letzten Willen

alle

„nicht von ihnen ſind, zu verlaͤumden, zu
„ſchaͤnden, zu verfolgen. Der Gehor-
„ſam
, den ſie ihren eigenen Luͤſten leiſten. —„

Es war allerliebſt anzuſehen, wie ſich
Herr v. G. und mein Vater bey dieſer Ver-
leſung gebehrdeten.

Als ob, ſagte mein Vater. Ja wohl,
antwortete Herr v. G. Es ward bey die-
ſer Gelegenheit eine Geſchichte folgendes In-
halts eingeſchaltet:

Eine Perſon weiblichen Geſchlechts, die
ihrer geſegneten Umſtaͤnde wegen, Gewiſ-
ſensſchmerzen empfand, und eben darum
in den andaͤchtigen Erquickungsſtunden nach
Troſt liebaͤugelte, weil ſie Pein in dieſer
Flamme litt; hoͤrt’ in dieſen pietiſtiſchen Zu-
ſammenkuͤnften ohne End und Ziel vom
verkehrten Herzen reden. Sie kam nie-
der! und ſiehe da! ein Kind mit einem
verkehrten Herzen!

Es hat dieſes Kind (nach dem Bericht
des Candidaten, der dieſe verkehrte Herzens-
geſchichte von Univerſitaͤten mitgebracht,)
nur drey Tage gelebt. Seine Mutter folgt’
ihm, und zwar ebenfals nach drey Tagen,
von dieſem Todestage an gerechnet. Sie
verbat indeſſen ſorgfaͤltig im letzten Willen

alle
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0138" n="132"/>
&#x201E;nicht von ihnen &#x017F;ind, zu verla&#x0364;umden, zu<lb/>
&#x201E;&#x017F;cha&#x0364;nden, zu verfolgen. <hi rendition="#fr">Der Gehor-<lb/>
&#x201E;&#x017F;am</hi>, den &#x017F;ie ihren eigenen Lu&#x0364;&#x017F;ten lei&#x017F;ten. &#x2014;&#x201E;</p><lb/>
        <p>Es war allerlieb&#x017F;t anzu&#x017F;ehen, wie &#x017F;ich<lb/>
Herr v. G. und mein Vater bey die&#x017F;er Ver-<lb/>
le&#x017F;ung gebehrdeten.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Als ob</hi>, &#x017F;agte mein Vater. <hi rendition="#fr">Ja wohl</hi>,<lb/>
antwortete Herr v. G. Es ward bey die-<lb/>
&#x017F;er Gelegenheit eine Ge&#x017F;chichte folgendes In-<lb/>
halts einge&#x017F;chaltet:</p><lb/>
        <p>Eine Per&#x017F;on weiblichen Ge&#x017F;chlechts, die<lb/>
ihrer ge&#x017F;egneten Um&#x017F;ta&#x0364;nde wegen, Gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ens&#x017F;chmerzen empfand, und eben darum<lb/>
in den anda&#x0364;chtigen Erquickungs&#x017F;tunden nach<lb/>
Tro&#x017F;t lieba&#x0364;ugelte, weil &#x017F;ie Pein in die&#x017F;er<lb/>
Flamme litt; ho&#x0364;rt&#x2019; in die&#x017F;en pieti&#x017F;ti&#x017F;chen Zu-<lb/>
&#x017F;ammenku&#x0364;nften ohne End und Ziel vom<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">verkehrten Herzen</hi> reden. Sie kam nie-<lb/>
der! und &#x017F;iehe da! ein Kind mit einem<lb/>
verkehrten Herzen!</hi></p><lb/>
        <p>Es hat die&#x017F;es Kind (nach dem Bericht<lb/>
des Candidaten, der die&#x017F;e verkehrte Herzens-<lb/>
ge&#x017F;chichte von Univer&#x017F;ita&#x0364;ten mitgebracht,)<lb/>
nur drey Tage gelebt. Seine Mutter folgt&#x2019;<lb/>
ihm, und zwar ebenfals nach drey Tagen,<lb/>
von die&#x017F;em Todestage an gerechnet. Sie<lb/>
verbat inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;orgfa&#x0364;ltig im letzten Willen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">alle</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0138] „nicht von ihnen ſind, zu verlaͤumden, zu „ſchaͤnden, zu verfolgen. Der Gehor- „ſam, den ſie ihren eigenen Luͤſten leiſten. —„ Es war allerliebſt anzuſehen, wie ſich Herr v. G. und mein Vater bey dieſer Ver- leſung gebehrdeten. Als ob, ſagte mein Vater. Ja wohl, antwortete Herr v. G. Es ward bey die- ſer Gelegenheit eine Geſchichte folgendes In- halts eingeſchaltet: Eine Perſon weiblichen Geſchlechts, die ihrer geſegneten Umſtaͤnde wegen, Gewiſ- ſensſchmerzen empfand, und eben darum in den andaͤchtigen Erquickungsſtunden nach Troſt liebaͤugelte, weil ſie Pein in dieſer Flamme litt; hoͤrt’ in dieſen pietiſtiſchen Zu- ſammenkuͤnften ohne End und Ziel vom verkehrten Herzen reden. Sie kam nie- der! und ſiehe da! ein Kind mit einem verkehrten Herzen! Es hat dieſes Kind (nach dem Bericht des Candidaten, der dieſe verkehrte Herzens- geſchichte von Univerſitaͤten mitgebracht,) nur drey Tage gelebt. Seine Mutter folgt’ ihm, und zwar ebenfals nach drey Tagen, von dieſem Todestage an gerechnet. Sie verbat indeſſen ſorgfaͤltig im letzten Willen alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/138
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/138>, abgerufen am 10.10.2024.