Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Literatus seyn; indessen pflegte sie ihn in
Rücksicht dieser Würde eine geschwächte eine
zu Fall gekommene Person zu heißen. Es
ging die Rede, daß er das Schneiderhand-
werk gelernt hätte, wenigstens übt' er dieses
Handwerk aus und alle meine Schlafröcke
und tägliche Kleider sind durch seine gelehrte
Hand gegangen. Was die Feyrkleider be-
traf; konnten sie freilich keinem Literato an-
vertrauet werden, der Umstand indessen daß
er Schneider Arbeit verrichtete schien nicht
hinreichend, das Gerede daß er ein Schnei-
der wäre außer allen Zweifel zu sezen, denn
er war im Grunde genommen ein Tau-
sendkünstler.

Er hatte sich bey einigen Hochwohlge-
bohrnen Herren zum Hofnarren zum Cam-
merherrn zum Forst und Jägermeister brau-
chen lassen und nachdem er am Ende ein-
sahe, daß es besser sey ein Schneider als ein
Hofnarr zu seyn; zog er sich in der besten
Ordnung zurück, nahm seine lezten Kräfte
der Hofkunst zusammen und war so glück-
lich seine Herren Principalen dahin zu über-
schwatzen, daß ihm Zeit Lebens ein standes-
mäßiger
das heißt ein höchst nothdürftiger
Unterhalt angewiesen wurde. Die Alten

starben
F 2

Literatus ſeyn; indeſſen pflegte ſie ihn in
Ruͤckſicht dieſer Wuͤrde eine geſchwaͤchte eine
zu Fall gekommene Perſon zu heißen. Es
ging die Rede, daß er das Schneiderhand-
werk gelernt haͤtte, wenigſtens uͤbt’ er dieſes
Handwerk aus und alle meine Schlafroͤcke
und taͤgliche Kleider ſind durch ſeine gelehrte
Hand gegangen. Was die Feyrkleider be-
traf; konnten ſie freilich keinem Literato an-
vertrauet werden, der Umſtand indeſſen daß
er Schneider Arbeit verrichtete ſchien nicht
hinreichend, das Gerede daß er ein Schnei-
der waͤre außer allen Zweifel zu ſezen, denn
er war im Grunde genommen ein Tau-
ſendkuͤnſtler.

Er hatte ſich bey einigen Hochwohlge-
bohrnen Herren zum Hofnarren zum Cam-
merherrn zum Forſt und Jaͤgermeiſter brau-
chen laſſen und nachdem er am Ende ein-
ſahe, daß es beſſer ſey ein Schneider als ein
Hofnarr zu ſeyn; zog er ſich in der beſten
Ordnung zuruͤck, nahm ſeine lezten Kraͤfte
der Hofkunſt zuſammen und war ſo gluͤck-
lich ſeine Herren Principalen dahin zu uͤber-
ſchwatzen, daß ihm Zeit Lebens ein ſtandes-
maͤßiger
das heißt ein hoͤchſt nothduͤrftiger
Unterhalt angewieſen wurde. Die Alten

ſtarben
F 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0089" n="81"/>
Literatus &#x017F;eyn; inde&#x017F;&#x017F;en pflegte &#x017F;ie ihn in<lb/>
Ru&#x0364;ck&#x017F;icht die&#x017F;er Wu&#x0364;rde eine ge&#x017F;chwa&#x0364;chte eine<lb/>
zu Fall gekommene Per&#x017F;on zu heißen. Es<lb/>
ging die Rede, daß er das Schneiderhand-<lb/>
werk gelernt ha&#x0364;tte, wenig&#x017F;tens u&#x0364;bt&#x2019; er die&#x017F;es<lb/>
Handwerk aus und alle meine Schlafro&#x0364;cke<lb/>
und ta&#x0364;gliche Kleider &#x017F;ind durch &#x017F;eine gelehrte<lb/>
Hand gegangen. Was die Feyrkleider be-<lb/>
traf; konnten &#x017F;ie freilich keinem Literato an-<lb/>
vertrauet werden, der Um&#x017F;tand inde&#x017F;&#x017F;en daß<lb/>
er Schneider Arbeit verrichtete &#x017F;chien nicht<lb/>
hinreichend, das Gerede daß er ein Schnei-<lb/>
der wa&#x0364;re außer allen Zweifel zu &#x017F;ezen, denn<lb/>
er war im Grunde genommen ein Tau-<lb/>
&#x017F;endku&#x0364;n&#x017F;tler.</p><lb/>
        <p>Er hatte &#x017F;ich bey einigen Hochwohlge-<lb/>
bohrnen Herren zum Hofnarren zum Cam-<lb/>
merherrn zum For&#x017F;t und Ja&#x0364;germei&#x017F;ter brau-<lb/>
chen la&#x017F;&#x017F;en und nachdem er am Ende ein-<lb/>
&#x017F;ahe, daß es be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ey ein Schneider als ein<lb/>
Hofnarr zu &#x017F;eyn; zog er &#x017F;ich in der be&#x017F;ten<lb/>
Ordnung zuru&#x0364;ck, nahm &#x017F;eine lezten Kra&#x0364;fte<lb/>
der Hofkun&#x017F;t zu&#x017F;ammen und war &#x017F;o glu&#x0364;ck-<lb/>
lich &#x017F;eine Herren Principalen dahin zu u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;chwatzen, daß ihm Zeit Lebens ein <hi rendition="#fr">&#x017F;tandes-<lb/>
ma&#x0364;ßiger</hi> das heißt ein ho&#x0364;ch&#x017F;t nothdu&#x0364;rftiger<lb/>
Unterhalt angewie&#x017F;en wurde. Die Alten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tarben</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0089] Literatus ſeyn; indeſſen pflegte ſie ihn in Ruͤckſicht dieſer Wuͤrde eine geſchwaͤchte eine zu Fall gekommene Perſon zu heißen. Es ging die Rede, daß er das Schneiderhand- werk gelernt haͤtte, wenigſtens uͤbt’ er dieſes Handwerk aus und alle meine Schlafroͤcke und taͤgliche Kleider ſind durch ſeine gelehrte Hand gegangen. Was die Feyrkleider be- traf; konnten ſie freilich keinem Literato an- vertrauet werden, der Umſtand indeſſen daß er Schneider Arbeit verrichtete ſchien nicht hinreichend, das Gerede daß er ein Schnei- der waͤre außer allen Zweifel zu ſezen, denn er war im Grunde genommen ein Tau- ſendkuͤnſtler. Er hatte ſich bey einigen Hochwohlge- bohrnen Herren zum Hofnarren zum Cam- merherrn zum Forſt und Jaͤgermeiſter brau- chen laſſen und nachdem er am Ende ein- ſahe, daß es beſſer ſey ein Schneider als ein Hofnarr zu ſeyn; zog er ſich in der beſten Ordnung zuruͤck, nahm ſeine lezten Kraͤfte der Hofkunſt zuſammen und war ſo gluͤck- lich ſeine Herren Principalen dahin zu uͤber- ſchwatzen, daß ihm Zeit Lebens ein ſtandes- maͤßiger das heißt ein hoͤchſt nothduͤrftiger Unterhalt angewieſen wurde. Die Alten ſtarben F 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/89
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/89>, abgerufen am 05.10.2024.