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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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gewesen, und hätte eben so gut ein gesundes
Kind in die Welt setzen als erfinden können,
und alles was in der gelehrten Welt Methu-
salems Alter erreichen und noch älter werden
soll, alles was eigentlich auf die Nachwelt
bleibt hat ein Gesunder gedacht und geschrie-
ben. Die Helden und Statsactionen des
Hercules leisteten meinem Vater auf diesem
Wege gute Dienste, und er konnte sich sehr
freuen, wenn ich Unwillen zeigte, daß ich
nicht auch Gelegenheit gehabt zwoen Schlan-
gen in der Wiege das Lebenslicht auszudrü-
cken: die Geschichte vom Antaeus dem Rie-
sen war mir ein Brand im Busen; mein
Vater goß Oel dazu und maaß mir seine
Länge vor. [ - 4 Zeichen fehlen] stieg auf den Tisch um sie
recht zu sehen und so wie ich mich über die
Art des Antaeus freuete, sich einen Lö-
wen zum Braten zu fangen, so gratulirte ich
dem Herkules daß er diesen Löwenjäger todt
zu drücken die Ehre gehabt. Mejne Mut-
ter war so wenig mit der Geschichte vom Rie-
sen Antaeus als mit der von der Schlange
zufrieden. Bei der Schlange fiel ihr bestän-
dig die im Paradiese ein, wobei sie es dem
Noa Etwas übel nahm, daß er für sie eine
recht holländische Toleranz in seinem Kasten

gehabt.

geweſen, und haͤtte eben ſo gut ein geſundes
Kind in die Welt ſetzen als erfinden koͤnnen,
und alles was in der gelehrten Welt Methu-
ſalems Alter erreichen und noch aͤlter werden
ſoll, alles was eigentlich auf die Nachwelt
bleibt hat ein Geſunder gedacht und geſchrie-
ben. Die Helden und Statsactionen des
Hercules leiſteten meinem Vater auf dieſem
Wege gute Dienſte, und er konnte ſich ſehr
freuen, wenn ich Unwillen zeigte, daß ich
nicht auch Gelegenheit gehabt zwoen Schlan-
gen in der Wiege das Lebenslicht auszudruͤ-
cken: die Geſchichte vom Antaeus dem Rie-
ſen war mir ein Brand im Buſen; mein
Vater goß Oel dazu und maaß mir ſeine
Laͤnge vor. [ – 4 Zeichen fehlen] ſtieg auf den Tiſch um ſie
recht zu ſehen und ſo wie ich mich uͤber die
Art des Antaeus freuete, ſich einen Loͤ-
wen zum Braten zu fangen, ſo gratulirte ich
dem Herkules daß er dieſen Loͤwenjaͤger todt
zu druͤcken die Ehre gehabt. Mejne Mut-
ter war ſo wenig mit der Geſchichte vom Rie-
ſen Antaeus als mit der von der Schlange
zufrieden. Bei der Schlange fiel ihr beſtaͤn-
dig die im Paradieſe ein, wobei ſie es dem
Noa Etwas uͤbel nahm, daß er fuͤr ſie eine
recht hollaͤndiſche Toleranz in ſeinem Kaſten

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[62/0070] geweſen, und haͤtte eben ſo gut ein geſundes Kind in die Welt ſetzen als erfinden koͤnnen, und alles was in der gelehrten Welt Methu- ſalems Alter erreichen und noch aͤlter werden ſoll, alles was eigentlich auf die Nachwelt bleibt hat ein Geſunder gedacht und geſchrie- ben. Die Helden und Statsactionen des Hercules leiſteten meinem Vater auf dieſem Wege gute Dienſte, und er konnte ſich ſehr freuen, wenn ich Unwillen zeigte, daß ich nicht auch Gelegenheit gehabt zwoen Schlan- gen in der Wiege das Lebenslicht auszudruͤ- cken: die Geſchichte vom Antaeus dem Rie- ſen war mir ein Brand im Buſen; mein Vater goß Oel dazu und maaß mir ſeine Laͤnge vor. ____ ſtieg auf den Tiſch um ſie recht zu ſehen und ſo wie ich mich uͤber die Art des Antaeus freuete, ſich einen Loͤ- wen zum Braten zu fangen, ſo gratulirte ich dem Herkules daß er dieſen Loͤwenjaͤger todt zu druͤcken die Ehre gehabt. Mejne Mut- ter war ſo wenig mit der Geſchichte vom Rie- ſen Antaeus als mit der von der Schlange zufrieden. Bei der Schlange fiel ihr beſtaͤn- dig die im Paradieſe ein, wobei ſie es dem Noa Etwas uͤbel nahm, daß er fuͤr ſie eine recht hollaͤndiſche Toleranz in ſeinem Kaſten gehabt.

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/70>, abgerufen am 24.11.2024.