Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778. Pastor. Griechen und Römer sind Mu- ster des Geschmacks, und werden es bleiben in Ewigkeit. -- Herr G. Da bitt ich um Vergebung -- Herr v. W. Und ich tausendmal wegen der deutschen Sprache. -- Pastor. Wenn Sie ihr das Leben abspre- chen, gut! so kann auch die deutsche Spra- che zu der Ehre kommen, welche der grie- chischen und lateinischen, eben weil es seelige und vollendete Sprachen sind, zustehet. So lang eine Sprache lebt, wird dies Wort adelich, dies bürgerlich, dies bäurisch, nach- dem es die Mode will. Es geht mit den Worten, wie mit den Familien: dies kommt empor, jenes fällt. Heut ist es am könig- lichen Hofe, in der Epopee, willkommen, mor- gen findet man es schon bis im Schäferge- dicht unausstehlich. Gedanckenwendung, Denckart, alles ist im egyptischen Dienst- hause der Mode. -- Gewinnsucht, Eigen- sinn in der Nation, kann Wort' erhöhn und erniedrigen. Alle Münzen in einer lebendi- gen Sprache sind der Reduction unterwor- fen -- und wenn dann die Tyranney trium- phiret, und Götzengreul die heiligen Stäte schändet, wenn von den Tempeln des Ge- schmacks
Paſtor. Griechen und Roͤmer ſind Mu- ſter des Geſchmacks, und werden es bleiben in Ewigkeit. — Herr G. Da bitt ich um Vergebung — Herr v. W. Und ich tauſendmal wegen der deutſchen Sprache. — Paſtor. Wenn Sie ihr das Leben abſpre- chen, gut! ſo kann auch die deutſche Spra- che zu der Ehre kommen, welche der grie- chiſchen und lateiniſchen, eben weil es ſeelige und vollendete Sprachen ſind, zuſtehet. So lang eine Sprache lebt, wird dies Wort adelich, dies buͤrgerlich, dies baͤuriſch, nach- dem es die Mode will. Es geht mit den Worten, wie mit den Familien: dies kommt empor, jenes faͤllt. Heut iſt es am koͤnig- lichen Hofe, in der Epopee, willkommen, mor- gen findet man es ſchon bis im Schaͤferge- dicht unausſtehlich. Gedanckenwendung, Denckart, alles iſt im egyptiſchen Dienſt- hauſe der Mode. — Gewinnſucht, Eigen- ſinn in der Nation, kann Wort’ erhoͤhn und erniedrigen. Alle Muͤnzen in einer lebendi- gen Sprache ſind der Reduction unterwor- fen — und wenn dann die Tyranney trium- phiret, und Goͤtzengreul die heiligen Staͤte ſchaͤndet, wenn von den Tempeln des Ge- ſchmacks
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Paſtor. Griechen und Roͤmer ſind Mu-
ſter des Geſchmacks, und werden es bleiben
in Ewigkeit. —
Herr G. Da bitt ich um Vergebung —
Herr v. W. Und ich tauſendmal wegen
der deutſchen Sprache. —
Paſtor. Wenn Sie ihr das Leben abſpre-
chen, gut! ſo kann auch die deutſche Spra-
che zu der Ehre kommen, welche der grie-
chiſchen und lateiniſchen, eben weil es ſeelige
und vollendete Sprachen ſind, zuſtehet. So
lang eine Sprache lebt, wird dies Wort
adelich, dies buͤrgerlich, dies baͤuriſch, nach-
dem es die Mode will. Es geht mit den
Worten, wie mit den Familien: dies kommt
empor, jenes faͤllt. Heut iſt es am koͤnig-
lichen Hofe, in der Epopee, willkommen, mor-
gen findet man es ſchon bis im Schaͤferge-
dicht unausſtehlich. Gedanckenwendung,
Denckart, alles iſt im egyptiſchen Dienſt-
hauſe der Mode. — Gewinnſucht, Eigen-
ſinn in der Nation, kann Wort’ erhoͤhn und
erniedrigen. Alle Muͤnzen in einer lebendi-
gen Sprache ſind der Reduction unterwor-
fen — und wenn dann die Tyranney trium-
phiret, und Goͤtzengreul die heiligen Staͤte
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Zitationshilfe: | Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/504>, abgerufen am 23.07.2024. |