Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.
nung des fremdartigen, sind ihre Fächer. Die Weiberordnung muß aussehen, wie ge- sucht, die Männerordnung, wie in der Lotte- rie gewonnen, von selbst zugefallen. Ord- nung ist übrigens blos das Formale; daher kann man den größten Theil der Wißenschaf- ten, ich hätte bald gesagt, die ganze Philo- sophie, das Formale nennen. Herr v. G. Wie kommts aber, daß die Menschen die Formen höher schätzen, als die Materialien? Vater. Die Form giebt die Kunst, das Geschick; die Materialien die Natur. Je- des Kind schätzt den Vater höher, als die Mutter, und den, der regiert, höher, als den, der ernähret. Den Verstand hält man höher, als die Sinnlichkeit, ohne die doch der Verstand unthätig wäre. Herr v. G. Aber das Genie? wer schätzt es nicht höher als den Fleiß? Vater. Fleiß und Kunst ist zweyerley. Herr v. G. Zur Kunst gehört Fleiß Vater. Und Genie. Ein Verstand, der seine Erkenntniße sinnlich zu machen weiß, ist für mich vorzüglicher Verstand; wenn er Sinnlichkeit den Verstandsbegriffen ertheilt, macht
nung des fremdartigen, ſind ihre Faͤcher. Die Weiberordnung muß ausſehen, wie ge- ſucht, die Maͤnnerordnung, wie in der Lotte- rie gewonnen, von ſelbſt zugefallen. Ord- nung iſt uͤbrigens blos das Formale; daher kann man den groͤßten Theil der Wißenſchaf- ten, ich haͤtte bald geſagt, die ganze Philo- ſophie, das Formale nennen. Herr v. G. Wie kommts aber, daß die Menſchen die Formen hoͤher ſchaͤtzen, als die Materialien? Vater. Die Form giebt die Kunſt, das Geſchick; die Materialien die Natur. Je- des Kind ſchaͤtzt den Vater hoͤher, als die Mutter, und den, der regiert, hoͤher, als den, der ernaͤhret. Den Verſtand haͤlt man hoͤher, als die Sinnlichkeit, ohne die doch der Verſtand unthaͤtig waͤre. Herr v. G. Aber das Genie? wer ſchaͤtzt es nicht hoͤher als den Fleiß? Vater. Fleiß und Kunſt iſt zweyerley. Herr v. G. Zur Kunſt gehoͤrt Fleiß Vater. Und Genie. Ein Verſtand, der ſeine Erkenntniße ſinnlich zu machen weiß, iſt fuͤr mich vorzuͤglicher Verſtand; wenn er Sinnlichkeit den Verſtandsbegriffen ertheilt, macht
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nung des fremdartigen, ſind ihre Faͤcher.
Die Weiberordnung muß ausſehen, wie ge-
ſucht, die Maͤnnerordnung, wie in der Lotte-
rie gewonnen, von ſelbſt zugefallen. Ord-
nung iſt uͤbrigens blos das Formale; daher
kann man den groͤßten Theil der Wißenſchaf-
ten, ich haͤtte bald geſagt, die ganze Philo-
ſophie, das Formale nennen.
Herr v. G. Wie kommts aber, daß die
Menſchen die Formen hoͤher ſchaͤtzen, als die
Materialien?
Vater. Die Form giebt die Kunſt, das
Geſchick; die Materialien die Natur. Je-
des Kind ſchaͤtzt den Vater hoͤher, als die
Mutter, und den, der regiert, hoͤher, als
den, der ernaͤhret. Den Verſtand haͤlt man
hoͤher, als die Sinnlichkeit, ohne die doch
der Verſtand unthaͤtig waͤre.
Herr v. G. Aber das Genie? wer ſchaͤtzt
es nicht hoͤher als den Fleiß?
Vater. Fleiß und Kunſt iſt zweyerley.
Herr v. G. Zur Kunſt gehoͤrt Fleiß
Vater. Und Genie. Ein Verſtand, der
ſeine Erkenntniße ſinnlich zu machen weiß, iſt
fuͤr mich vorzuͤglicher Verſtand; wenn er
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Zitationshilfe: | Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/423>, abgerufen am 18.06.2024. |