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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in die Nase, und da ward eine lebendige
Seele. Verzweifle nicht, wenn die Glocken
um deinen Freund gezogen werden, und wenn
es von ihm heißt: er ist versammlet zu sei-
nen Vätern. Freue dich nicht, wenn dein
Feind stirbt, gedenke, daß wir alle sterben
werden,

müß'n all davon,
gelehrt, jung, reich, alt, oder schön,

Wilst du den Frevler kennen, sieh ihn wenn
sein Feind den Arm bricht. Artet sein Herz
zum Jubel aus, und raucht sein Haupt wie
eine Flasche alter Wein, wenn man die Propfe
herausgezogen; so hast du ihn auf ein Haar,
wie dein Vetter getroffen ist, im Kupfer-
stich -- Wenn gleich der Gottlose in einem
Pallaste wohnet, irre dich nicht. Sein Pal-
last ist wie das Hauß der Spinne und wan-
ckender, wie ein Schauer, das der Wächter sich
gemacht hat -- Es kommt die Stunde, da
Schrecken ihn treffen, wie Waßer! Ein
Platzregen kommt über ihn, wenn er ein seid-
nes Kleid an hat. Ohne Ordnung fält man
über ihn her, wie durch ein gesprengtes Thor;
wie eine eingenommen Feste wird man ihn
umzingeln. Ist nicht Tag und Nacht, Som-
mer und Winter, kalt und warm? Es liegt

alles

in die Naſe, und da ward eine lebendige
Seele. Verzweifle nicht, wenn die Glocken
um deinen Freund gezogen werden, und wenn
es von ihm heißt: er iſt verſammlet zu ſei-
nen Vaͤtern. Freue dich nicht, wenn dein
Feind ſtirbt, gedenke, daß wir alle ſterben
werden,

muͤß’n all davon,
gelehrt, jung, reich, alt, oder ſchoͤn,

Wilſt du den Frevler kennen, ſieh ihn wenn
ſein Feind den Arm bricht. Artet ſein Herz
zum Jubel aus, und raucht ſein Haupt wie
eine Flaſche alter Wein, wenn man die Propfe
herausgezogen; ſo haſt du ihn auf ein Haar,
wie dein Vetter getroffen iſt, im Kupfer-
ſtich — Wenn gleich der Gottloſe in einem
Pallaſte wohnet, irre dich nicht. Sein Pal-
laſt iſt wie das Hauß der Spinne und wan-
ckender, wie ein Schauer, das der Waͤchter ſich
gemacht hat — Es kommt die Stunde, da
Schrecken ihn treffen, wie Waßer! Ein
Platzregen kommt uͤber ihn, wenn er ein ſeid-
nes Kleid an hat. Ohne Ordnung faͤlt man
uͤber ihn her, wie durch ein geſprengtes Thor;
wie eine eingenommen Feſte wird man ihn
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[299/0311] in die Naſe, und da ward eine lebendige Seele. Verzweifle nicht, wenn die Glocken um deinen Freund gezogen werden, und wenn es von ihm heißt: er iſt verſammlet zu ſei- nen Vaͤtern. Freue dich nicht, wenn dein Feind ſtirbt, gedenke, daß wir alle ſterben werden, muͤß’n all davon, gelehrt, jung, reich, alt, oder ſchoͤn, Wilſt du den Frevler kennen, ſieh ihn wenn ſein Feind den Arm bricht. Artet ſein Herz zum Jubel aus, und raucht ſein Haupt wie eine Flaſche alter Wein, wenn man die Propfe herausgezogen; ſo haſt du ihn auf ein Haar, wie dein Vetter getroffen iſt, im Kupfer- ſtich — Wenn gleich der Gottloſe in einem Pallaſte wohnet, irre dich nicht. Sein Pal- laſt iſt wie das Hauß der Spinne und wan- ckender, wie ein Schauer, das der Waͤchter ſich gemacht hat — Es kommt die Stunde, da Schrecken ihn treffen, wie Waßer! Ein Platzregen kommt uͤber ihn, wenn er ein ſeid- nes Kleid an hat. Ohne Ordnung faͤlt man uͤber ihn her, wie durch ein geſprengtes Thor; wie eine eingenommen Feſte wird man ihn umzingeln. Iſt nicht Tag und Nacht, Som- mer und Winter, kalt und warm? Es liegt alles

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/311>, abgerufen am 16.06.2024.