Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

war. Ich hab' oft gedacht, sie gäb' ihrem
Mann manche Nuß aufzubeißen: darum
ihre gelehrte Fragen! ich im Druck! und
darum mein Gesang! Sie wußte was für
eine Farbe das Kleid gehabt, das der liebe
Gott dem Adam gemacht, und behauptete,
es wäre grün gewesen. Sie wußte die Apfel-
art, die Adam und Eva gegeßen? wo das
Paradies gestanden? und empfahl die Bir-
nen, als eine unschuldigere Frucht, die auch
allen Menschen beßer thäte. Wenn ichs auf-
richtig sagen soll; so geberdete sie sich bey
Aepfel und Birnen so, als ob diese ohne
Erbsünde, jene mit Erbsünde behaftet wären --
ich find hiebey, wenn manns dazu anlegt, viel
Erbauung -- Sie wußte, ob Rahel weiß
oder braun gewesen? Was für Federn Ga-
briel in seinen Flügeln gehabt? Ob Adam
mit einem Nabel versehen gewesen? Ob Da-
vid ein Adagio oder Allegro vor Saul gespielt?
Ob die Schrifftgelehrten Docktores in der
Theologie oder der Rechte gewesen? und ob
Pilatus sich mit Seife gewaschen? Wie viel-
mal Sela in der heiligen Schrifft vorkäme?

Meinem Vater fehlt' es weder an Seel
noch Leib, um meine Mutter so zu umzäu-
nen, als ich's bin; allein, warum er nach-

gab
R 5

war. Ich hab’ oft gedacht, ſie gaͤb’ ihrem
Mann manche Nuß aufzubeißen: darum
ihre gelehrte Fragen! ich im Druck! und
darum mein Geſang! Sie wußte was fuͤr
eine Farbe das Kleid gehabt, das der liebe
Gott dem Adam gemacht, und behauptete,
es waͤre gruͤn geweſen. Sie wußte die Apfel-
art, die Adam und Eva gegeßen? wo das
Paradies geſtanden? und empfahl die Bir-
nen, als eine unſchuldigere Frucht, die auch
allen Menſchen beßer thaͤte. Wenn ichs auf-
richtig ſagen ſoll; ſo geberdete ſie ſich bey
Aepfel und Birnen ſo, als ob dieſe ohne
Erbſuͤnde, jene mit Erbſuͤnde behaftet waͤren —
ich find hiebey, wenn manns dazu anlegt, viel
Erbauung — Sie wußte, ob Rahel weiß
oder braun geweſen? Was fuͤr Federn Ga-
briel in ſeinen Fluͤgeln gehabt? Ob Adam
mit einem Nabel verſehen geweſen? Ob Da-
vid ein Adagio oder Allegro vor Saul geſpielt?
Ob die Schrifftgelehrten Docktores in der
Theologie oder der Rechte geweſen? und ob
Pilatus ſich mit Seife gewaſchen? Wie viel-
mal Sela in der heiligen Schrifft vorkaͤme?

Meinem Vater fehlt’ es weder an Seel
noch Leib, um meine Mutter ſo zu umzaͤu-
nen, als ich’s bin; allein, warum er nach-

gab
R 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0275" n="263"/>
war. Ich hab&#x2019; oft gedacht, &#x017F;ie ga&#x0364;b&#x2019; ihrem<lb/>
Mann manche Nuß aufzubeißen: darum<lb/>
ihre gelehrte Fragen! ich im Druck! und<lb/>
darum mein Ge&#x017F;ang! Sie wußte was fu&#x0364;r<lb/>
eine Farbe das Kleid gehabt, das der liebe<lb/>
Gott dem Adam gemacht, und behauptete,<lb/>
es wa&#x0364;re gru&#x0364;n gewe&#x017F;en. Sie wußte die Apfel-<lb/>
art, die Adam und Eva gegeßen? wo das<lb/>
Paradies ge&#x017F;tanden? und empfahl die Bir-<lb/>
nen, als eine un&#x017F;chuldigere Frucht, die auch<lb/>
allen Men&#x017F;chen beßer tha&#x0364;te. Wenn ichs auf-<lb/>
richtig &#x017F;agen &#x017F;oll; &#x017F;o geberdete &#x017F;ie &#x017F;ich bey<lb/>
Aepfel und Birnen &#x017F;o, als ob die&#x017F;e ohne<lb/>
Erb&#x017F;u&#x0364;nde, jene mit Erb&#x017F;u&#x0364;nde behaftet wa&#x0364;ren &#x2014;<lb/>
ich find hiebey, wenn manns dazu anlegt, viel<lb/>
Erbauung &#x2014; Sie wußte, ob <hi rendition="#fr">Rahel</hi> weiß<lb/>
oder braun gewe&#x017F;en? Was fu&#x0364;r Federn Ga-<lb/>
briel in &#x017F;einen Flu&#x0364;geln gehabt? Ob Adam<lb/>
mit einem Nabel ver&#x017F;ehen gewe&#x017F;en? Ob Da-<lb/>
vid ein Adagio oder Allegro vor Saul ge&#x017F;pielt?<lb/>
Ob die Schrifftgelehrten Docktores in der<lb/>
Theologie oder der Rechte gewe&#x017F;en? und ob<lb/>
Pilatus &#x017F;ich mit Seife gewa&#x017F;chen? Wie viel-<lb/>
mal Sela in der heiligen Schrifft vorka&#x0364;me?</p><lb/>
        <p>Meinem Vater fehlt&#x2019; es weder an Seel<lb/>
noch Leib, um meine Mutter &#x017F;o zu umza&#x0364;u-<lb/>
nen, als ich&#x2019;s bin; allein, warum er nach-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R 5</fw><fw place="bottom" type="catch">gab</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0275] war. Ich hab’ oft gedacht, ſie gaͤb’ ihrem Mann manche Nuß aufzubeißen: darum ihre gelehrte Fragen! ich im Druck! und darum mein Geſang! Sie wußte was fuͤr eine Farbe das Kleid gehabt, das der liebe Gott dem Adam gemacht, und behauptete, es waͤre gruͤn geweſen. Sie wußte die Apfel- art, die Adam und Eva gegeßen? wo das Paradies geſtanden? und empfahl die Bir- nen, als eine unſchuldigere Frucht, die auch allen Menſchen beßer thaͤte. Wenn ichs auf- richtig ſagen ſoll; ſo geberdete ſie ſich bey Aepfel und Birnen ſo, als ob dieſe ohne Erbſuͤnde, jene mit Erbſuͤnde behaftet waͤren — ich find hiebey, wenn manns dazu anlegt, viel Erbauung — Sie wußte, ob Rahel weiß oder braun geweſen? Was fuͤr Federn Ga- briel in ſeinen Fluͤgeln gehabt? Ob Adam mit einem Nabel verſehen geweſen? Ob Da- vid ein Adagio oder Allegro vor Saul geſpielt? Ob die Schrifftgelehrten Docktores in der Theologie oder der Rechte geweſen? und ob Pilatus ſich mit Seife gewaſchen? Wie viel- mal Sela in der heiligen Schrifft vorkaͤme? Meinem Vater fehlt’ es weder an Seel noch Leib, um meine Mutter ſo zu umzaͤu- nen, als ich’s bin; allein, warum er nach- gab R 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/275
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/275>, abgerufen am 02.06.2024.