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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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eingeseegnet und geweiht. Die Stadtleute,
die nicht wissen wie schön es ist, Blumen
an der Wurzel zu sehen -- geben sich ein-
ander Blumen. Ihr Blumengeschenk, das
hab ich von dir, ist ein Bild ihrer Liebe, die
auch bald dahin stirbt. Ich möchte nicht in
der Stad wohnen um vieles! Die Leute glaub
ich, haben da den lieben Gott nur in der Kir-
che, wir, der Name des Herrn sey gelobt!
haben ihn überall -- In Mitau werd' ja
nicht Pastor. Werd' es auf dem Lande. Da
hast du halb predigen, und wir leben doppelt.
In der Stadt ist man, wies in der Bibel steht,
lebendig todt. Man lebt sich da, wie du
sagst, krank und todt. Daß du mir ja keine
neue Feder mehr schickst. Ich will keine, mit
der du nicht schon geschrieben und die du nicht
schon im Gang gebracht hast. Und was
ich noch mehr will, hätt ich bey einem Haar
vergessen -- Der alte Herr geht morgen
aufs Land und bleibt drey Tage --

N. S. Um acht des Morgens kommt
der Wagen nach ihm, um neun ist er gewiß
nicht mehr.

Sie an Ihn

Gestern, lieber Mann meiner Seele! Ein-
ziger! hab ich den Geburtstag unsrer Liebe

gefey-
Q

eingeſeegnet und geweiht. Die Stadtleute,
die nicht wiſſen wie ſchoͤn es iſt, Blumen
an der Wurzel zu ſehen — geben ſich ein-
ander Blumen. Ihr Blumengeſchenk, das
hab ich von dir, iſt ein Bild ihrer Liebe, die
auch bald dahin ſtirbt. Ich moͤchte nicht in
der Stad wohnen um vieles! Die Leute glaub
ich, haben da den lieben Gott nur in der Kir-
che, wir, der Name des Herrn ſey gelobt!
haben ihn uͤberall — In Mitau werd’ ja
nicht Paſtor. Werd’ es auf dem Lande. Da
haſt du halb predigen, und wir leben doppelt.
In der Stadt iſt man, wies in der Bibel ſteht,
lebendig todt. Man lebt ſich da, wie du
ſagſt, krank und todt. Daß du mir ja keine
neue Feder mehr ſchickſt. Ich will keine, mit
der du nicht ſchon geſchrieben und die du nicht
ſchon im Gang gebracht haſt. Und was
ich noch mehr will, haͤtt ich bey einem Haar
vergeſſen — Der alte Herr geht morgen
aufs Land und bleibt drey Tage —

N. S. Um acht des Morgens kommt
der Wagen nach ihm, um neun iſt er gewiß
nicht mehr.

Sie an Ihn

Geſtern, lieber Mann meiner Seele! Ein-
ziger! hab ich den Geburtstag unſrer Liebe

gefey-
Q
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[239/0251] eingeſeegnet und geweiht. Die Stadtleute, die nicht wiſſen wie ſchoͤn es iſt, Blumen an der Wurzel zu ſehen — geben ſich ein- ander Blumen. Ihr Blumengeſchenk, das hab ich von dir, iſt ein Bild ihrer Liebe, die auch bald dahin ſtirbt. Ich moͤchte nicht in der Stad wohnen um vieles! Die Leute glaub ich, haben da den lieben Gott nur in der Kir- che, wir, der Name des Herrn ſey gelobt! haben ihn uͤberall — In Mitau werd’ ja nicht Paſtor. Werd’ es auf dem Lande. Da haſt du halb predigen, und wir leben doppelt. In der Stadt iſt man, wies in der Bibel ſteht, lebendig todt. Man lebt ſich da, wie du ſagſt, krank und todt. Daß du mir ja keine neue Feder mehr ſchickſt. Ich will keine, mit der du nicht ſchon geſchrieben und die du nicht ſchon im Gang gebracht haſt. Und was ich noch mehr will, haͤtt ich bey einem Haar vergeſſen — Der alte Herr geht morgen aufs Land und bleibt drey Tage — N. S. Um acht des Morgens kommt der Wagen nach ihm, um neun iſt er gewiß nicht mehr. Sie an Ihn Geſtern, lieber Mann meiner Seele! Ein- ziger! hab ich den Geburtstag unſrer Liebe gefey- Q

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/251>, abgerufen am 18.06.2024.