Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Holland in England feine Wäsche und je vor-
nehmer der Mann je feiner. Wo ein Ty-
rann, wo ein Despot herrscht, will ich das
Hemde nicht sehen. Die Menschen achten
ihren Leib nicht, der ihnen nicht zugehört.
Je näher auf den Leib im monarchischen
Staate, je schlechter der Anzug. Für einen
Despoten ist ein grobes Isabellenhemde gut
genug. --

Also Sonntags und Montags Hemde
liebe Mutter und wie Gott will Sterbhemde
und Prophetenkinderhemde nur eins (das
wett ich) nicht -- ein Brauthemde --

Da bin ich eben wo ich seyn muß um
meinen Lesern den Schlüßel zur academischen
Ehrenpforte und zum Stall des Braunen
getreulich einzuhändigen. Ein Schlüßel öf-
net alles -- die Eltern eilen gemeinhin mit
ihren Söhnen aus dem Hause so bald die
Natur die Fabel vom Storch widerlegt. Ich
will es nicht ausmitteln in wie weit es gut
sey Kinder der Natur in diesem Stück an-
heim zu geben um die Frage unbeantwortet
zur rechten Hand liegen zu lassen ob es Kin-
der ins Treibhaus bringen heiße wenn man
ihnen im zartesten Alter dies Storchgeheimnis
erklärt, und sie so altklug macht, daß sie

selbst
O 3

Holland in England feine Waͤſche und je vor-
nehmer der Mann je feiner. Wo ein Ty-
rann, wo ein Deſpot herrſcht, will ich das
Hemde nicht ſehen. Die Menſchen achten
ihren Leib nicht, der ihnen nicht zugehoͤrt.
Je naͤher auf den Leib im monarchiſchen
Staate, je ſchlechter der Anzug. Fuͤr einen
Deſpoten iſt ein grobes Iſabellenhemde gut
genug. —

Alſo Sonntags und Montags Hemde
liebe Mutter und wie Gott will Sterbhemde
und Prophetenkinderhemde nur eins (das
wett ich) nicht — ein Brauthemde —

Da bin ich eben wo ich ſeyn muß um
meinen Leſern den Schluͤßel zur academiſchen
Ehrenpforte und zum Stall des Braunen
getreulich einzuhaͤndigen. Ein Schluͤßel oͤf-
net alles — die Eltern eilen gemeinhin mit
ihren Soͤhnen aus dem Hauſe ſo bald die
Natur die Fabel vom Storch widerlegt. Ich
will es nicht ausmitteln in wie weit es gut
ſey Kinder der Natur in dieſem Stuͤck an-
heim zu geben um die Frage unbeantwortet
zur rechten Hand liegen zu laſſen ob es Kin-
der ins Treibhaus bringen heiße wenn man
ihnen im zarteſten Alter dies Storchgeheimnis
erklaͤrt, und ſie ſo altklug macht, daß ſie

ſelbſt
O 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0219" n="211"/>
Holland in England feine Wa&#x0364;&#x017F;che und je vor-<lb/>
nehmer der Mann je feiner. Wo ein Ty-<lb/>
rann, wo ein De&#x017F;pot herr&#x017F;cht, will ich das<lb/>
Hemde nicht &#x017F;ehen. Die Men&#x017F;chen achten<lb/>
ihren Leib nicht, der ihnen nicht zugeho&#x0364;rt.<lb/>
Je na&#x0364;her auf den Leib im monarchi&#x017F;chen<lb/>
Staate, je &#x017F;chlechter der Anzug. Fu&#x0364;r einen<lb/>
De&#x017F;poten i&#x017F;t ein grobes I&#x017F;abellenhemde gut<lb/>
genug. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o Sonntags und Montags Hemde<lb/>
liebe Mutter und wie Gott will Sterbhemde<lb/>
und Prophetenkinderhemde nur eins (das<lb/>
wett ich) nicht &#x2014; ein Brauthemde &#x2014;</p><lb/>
        <p>Da bin ich eben wo ich &#x017F;eyn muß um<lb/>
meinen Le&#x017F;ern den Schlu&#x0364;ßel zur academi&#x017F;chen<lb/>
Ehrenpforte und zum Stall des Braunen<lb/>
getreulich einzuha&#x0364;ndigen. Ein Schlu&#x0364;ßel o&#x0364;f-<lb/>
net alles &#x2014; die Eltern eilen gemeinhin mit<lb/>
ihren So&#x0364;hnen aus dem Hau&#x017F;e &#x017F;o bald die<lb/>
Natur die Fabel vom Storch widerlegt. Ich<lb/>
will es nicht ausmitteln in wie weit es gut<lb/>
&#x017F;ey Kinder der Natur in die&#x017F;em Stu&#x0364;ck an-<lb/>
heim zu geben um die Frage unbeantwortet<lb/>
zur rechten Hand liegen zu la&#x017F;&#x017F;en ob es Kin-<lb/>
der ins Treibhaus bringen heiße wenn man<lb/>
ihnen im zarte&#x017F;ten Alter dies Storchgeheimnis<lb/>
erkla&#x0364;rt, und &#x017F;ie &#x017F;o altklug macht, daß &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;elb&#x017F;t</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0219] Holland in England feine Waͤſche und je vor- nehmer der Mann je feiner. Wo ein Ty- rann, wo ein Deſpot herrſcht, will ich das Hemde nicht ſehen. Die Menſchen achten ihren Leib nicht, der ihnen nicht zugehoͤrt. Je naͤher auf den Leib im monarchiſchen Staate, je ſchlechter der Anzug. Fuͤr einen Deſpoten iſt ein grobes Iſabellenhemde gut genug. — Alſo Sonntags und Montags Hemde liebe Mutter und wie Gott will Sterbhemde und Prophetenkinderhemde nur eins (das wett ich) nicht — ein Brauthemde — Da bin ich eben wo ich ſeyn muß um meinen Leſern den Schluͤßel zur academiſchen Ehrenpforte und zum Stall des Braunen getreulich einzuhaͤndigen. Ein Schluͤßel oͤf- net alles — die Eltern eilen gemeinhin mit ihren Soͤhnen aus dem Hauſe ſo bald die Natur die Fabel vom Storch widerlegt. Ich will es nicht ausmitteln in wie weit es gut ſey Kinder der Natur in dieſem Stuͤck an- heim zu geben um die Frage unbeantwortet zur rechten Hand liegen zu laſſen ob es Kin- der ins Treibhaus bringen heiße wenn man ihnen im zarteſten Alter dies Storchgeheimnis erklaͤrt, und ſie ſo altklug macht, daß ſie ſelbſt O 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/219
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/219>, abgerufen am 18.05.2024.