Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Freilich schlief nur die Eine, die Moidi. Rosine that die ganze Nacht kein Auge zu. Als der Tag noch lange nicht graute, hörte sie einen Schritt draußen über den Hof kommen und sich dem niedern Fenster ihrer Schlafkammer nähern. Die Hunde schlugen an, wurden aber sogleich beschwichtigt. Ihr klopfte das Herz, und sie sprang eilig aus dem Bett in langer Ahnung. Die Moidi schlief ruhig fort. Die Schritte hielten richtig am Fenster still, und eine Hand pochte leise an die Scheiben. Moidi! Rief die wohlbekannte Stimme. Ich bin wach, Andree, erwiderte das Mädchen verstohlen; die Moidi schläft noch. Soll ich sie wecken? Thu's, Rosel. Sie soll sich fertig anziehen und geschwind machen; ich hab' ihr noch Viel zu sagen, eh ihr heimfahrt. Eine Viertelstunde verging, dann öffnete sich leise die Hintere Thur der Schenke, und die Moidi trat heraus, das Gesicht zwischen Verschlafenheit, Neugier und Furcht gegen den Bruder gewendet. Guten Tag, sagte sie. Du kommst aber früh. Wenn du nur Gutes bringst, Andree, wird mich's schon munter machen. Thu deinen Mantel um, sagte er statt aller Antwort. Es ist frisch, und du bist die Luft hier nicht gewohnt. Wir wollen ein paar Schritte weit gehen. Freilich schlief nur die Eine, die Moidi. Rosine that die ganze Nacht kein Auge zu. Als der Tag noch lange nicht graute, hörte sie einen Schritt draußen über den Hof kommen und sich dem niedern Fenster ihrer Schlafkammer nähern. Die Hunde schlugen an, wurden aber sogleich beschwichtigt. Ihr klopfte das Herz, und sie sprang eilig aus dem Bett in langer Ahnung. Die Moidi schlief ruhig fort. Die Schritte hielten richtig am Fenster still, und eine Hand pochte leise an die Scheiben. Moidi! Rief die wohlbekannte Stimme. Ich bin wach, Andree, erwiderte das Mädchen verstohlen; die Moidi schläft noch. Soll ich sie wecken? Thu's, Rosel. Sie soll sich fertig anziehen und geschwind machen; ich hab' ihr noch Viel zu sagen, eh ihr heimfahrt. Eine Viertelstunde verging, dann öffnete sich leise die Hintere Thur der Schenke, und die Moidi trat heraus, das Gesicht zwischen Verschlafenheit, Neugier und Furcht gegen den Bruder gewendet. Guten Tag, sagte sie. Du kommst aber früh. Wenn du nur Gutes bringst, Andree, wird mich's schon munter machen. Thu deinen Mantel um, sagte er statt aller Antwort. Es ist frisch, und du bist die Luft hier nicht gewohnt. Wir wollen ein paar Schritte weit gehen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <pb facs="#f0098"/> <p>Freilich schlief nur die Eine, die Moidi. Rosine that die ganze Nacht kein Auge zu.</p><lb/> <p>Als der Tag noch lange nicht graute, hörte sie einen Schritt draußen über den Hof kommen und sich dem niedern Fenster ihrer Schlafkammer nähern. Die Hunde schlugen an, wurden aber sogleich beschwichtigt. Ihr klopfte das Herz, und sie sprang eilig aus dem Bett in langer Ahnung. Die Moidi schlief ruhig fort.</p><lb/> <p>Die Schritte hielten richtig am Fenster still, und eine Hand pochte leise an die Scheiben. Moidi! Rief die wohlbekannte Stimme.</p><lb/> <p>Ich bin wach, Andree, erwiderte das Mädchen verstohlen; die Moidi schläft noch. Soll ich sie wecken?</p><lb/> <p>Thu's, Rosel. Sie soll sich fertig anziehen und geschwind machen; ich hab' ihr noch Viel zu sagen, eh ihr heimfahrt.</p><lb/> <p>Eine Viertelstunde verging, dann öffnete sich leise die Hintere Thur der Schenke, und die Moidi trat heraus, das Gesicht zwischen Verschlafenheit, Neugier und Furcht gegen den Bruder gewendet. Guten Tag, sagte sie. Du kommst aber früh. Wenn du nur Gutes bringst, Andree, wird mich's schon munter machen.</p><lb/> <p>Thu deinen Mantel um, sagte er statt aller Antwort. Es ist frisch, und du bist die Luft hier nicht gewohnt. Wir wollen ein paar Schritte weit gehen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0098]
Freilich schlief nur die Eine, die Moidi. Rosine that die ganze Nacht kein Auge zu.
Als der Tag noch lange nicht graute, hörte sie einen Schritt draußen über den Hof kommen und sich dem niedern Fenster ihrer Schlafkammer nähern. Die Hunde schlugen an, wurden aber sogleich beschwichtigt. Ihr klopfte das Herz, und sie sprang eilig aus dem Bett in langer Ahnung. Die Moidi schlief ruhig fort.
Die Schritte hielten richtig am Fenster still, und eine Hand pochte leise an die Scheiben. Moidi! Rief die wohlbekannte Stimme.
Ich bin wach, Andree, erwiderte das Mädchen verstohlen; die Moidi schläft noch. Soll ich sie wecken?
Thu's, Rosel. Sie soll sich fertig anziehen und geschwind machen; ich hab' ihr noch Viel zu sagen, eh ihr heimfahrt.
Eine Viertelstunde verging, dann öffnete sich leise die Hintere Thur der Schenke, und die Moidi trat heraus, das Gesicht zwischen Verschlafenheit, Neugier und Furcht gegen den Bruder gewendet. Guten Tag, sagte sie. Du kommst aber früh. Wenn du nur Gutes bringst, Andree, wird mich's schon munter machen.
Thu deinen Mantel um, sagte er statt aller Antwort. Es ist frisch, und du bist die Luft hier nicht gewohnt. Wir wollen ein paar Schritte weit gehen.
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Zitationshilfe: | Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/98>, abgerufen am 16.07.2024. |