Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

sten Begriffen war, so war doch die ganze wichtige Sache mit wenigen Worten ins Reine gebracht.

So auch bei der Moidi. Sie schien es ganz in der Ordnung zu finden, daß auch sie jetzt, trotz allem Vorangegangenen, an die Reihe kam. Sie scherzte während der Werbung mit dem kleinen Andree, der schon im vierten Jahre war und den fremden Burschen mit scheuen und trotzigen Augen betrachtete. Als aber dieser, wie ihm seine Mutter gerathen hatte, eine große Düte mit Zuckerwerk aus der Tasche zog und dem Kinde reichte, war das letzte Bedenken der Moidi besiegt. Zwar bei einem Vergleich mit dem Hirzer-Joseph mußte des Wolfharts Franz den Kürzeren ziehen. Sein flaches, rundes, behagliches Gesicht, mit weißblonden Haaren eingerahmt, erinnerte stark an die Madonnenbilder, die, wie durch die Schablone gemalt, an Häusern, Thorwegen und vollends in den Kirchen zahlreich begegnen. Aber die Moidi besaß Schwarz genug, um in seine übermäßige Helle Schatten zu werfen, und schien nicht zum Wenigsten gerade durch die Werbung des Blonden sich geehrt zu fühlen. Nach dem raschen, durchaus geschäftsmäßigen Gang, den diese Dinge hier nehmen, zog der Franz schon vier Wochen später als junger Ehemann in das Haus seiner Neuvermählten auf dem Küchelberg, und damit war zum zweiten Mal das wieder erwachte Gerede über die Schicksale der schwarzen Moidi verstummt und verschallt.

sten Begriffen war, so war doch die ganze wichtige Sache mit wenigen Worten ins Reine gebracht.

So auch bei der Moidi. Sie schien es ganz in der Ordnung zu finden, daß auch sie jetzt, trotz allem Vorangegangenen, an die Reihe kam. Sie scherzte während der Werbung mit dem kleinen Andree, der schon im vierten Jahre war und den fremden Burschen mit scheuen und trotzigen Augen betrachtete. Als aber dieser, wie ihm seine Mutter gerathen hatte, eine große Düte mit Zuckerwerk aus der Tasche zog und dem Kinde reichte, war das letzte Bedenken der Moidi besiegt. Zwar bei einem Vergleich mit dem Hirzer-Joseph mußte des Wolfharts Franz den Kürzeren ziehen. Sein flaches, rundes, behagliches Gesicht, mit weißblonden Haaren eingerahmt, erinnerte stark an die Madonnenbilder, die, wie durch die Schablone gemalt, an Häusern, Thorwegen und vollends in den Kirchen zahlreich begegnen. Aber die Moidi besaß Schwarz genug, um in seine übermäßige Helle Schatten zu werfen, und schien nicht zum Wenigsten gerade durch die Werbung des Blonden sich geehrt zu fühlen. Nach dem raschen, durchaus geschäftsmäßigen Gang, den diese Dinge hier nehmen, zog der Franz schon vier Wochen später als junger Ehemann in das Haus seiner Neuvermählten auf dem Küchelberg, und damit war zum zweiten Mal das wieder erwachte Gerede über die Schicksale der schwarzen Moidi verstummt und verschallt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0041"/>
sten     Begriffen war, so war doch die ganze wichtige Sache mit wenigen Worten ins Reine gebracht.</p><lb/>
        <p>So auch bei der Moidi. Sie schien es ganz in der Ordnung zu finden, daß auch sie jetzt, trotz     allem Vorangegangenen, an die Reihe kam. Sie scherzte während der Werbung mit dem kleinen     Andree, der schon im vierten Jahre war und den fremden Burschen mit scheuen und trotzigen Augen     betrachtete. Als aber dieser, wie ihm seine Mutter gerathen hatte, eine große Düte mit     Zuckerwerk aus der Tasche zog und dem Kinde reichte, war das letzte Bedenken der Moidi besiegt.     Zwar bei einem Vergleich mit dem Hirzer-Joseph mußte des Wolfharts Franz den Kürzeren ziehen.     Sein flaches, rundes, behagliches Gesicht, mit weißblonden Haaren eingerahmt, erinnerte stark an     die Madonnenbilder, die, wie durch die Schablone gemalt, an Häusern, Thorwegen und vollends in     den Kirchen zahlreich begegnen. Aber die Moidi besaß Schwarz genug, um in seine übermäßige Helle     Schatten zu werfen, und schien nicht zum Wenigsten gerade durch die Werbung des Blonden sich     geehrt zu fühlen. Nach dem raschen, durchaus geschäftsmäßigen Gang, den diese Dinge hier nehmen,     zog der Franz schon vier Wochen später als junger Ehemann in das Haus seiner Neuvermählten auf     dem Küchelberg, und damit war zum zweiten Mal das wieder erwachte Gerede über die Schicksale der     schwarzen Moidi verstummt und verschallt.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0041] sten Begriffen war, so war doch die ganze wichtige Sache mit wenigen Worten ins Reine gebracht. So auch bei der Moidi. Sie schien es ganz in der Ordnung zu finden, daß auch sie jetzt, trotz allem Vorangegangenen, an die Reihe kam. Sie scherzte während der Werbung mit dem kleinen Andree, der schon im vierten Jahre war und den fremden Burschen mit scheuen und trotzigen Augen betrachtete. Als aber dieser, wie ihm seine Mutter gerathen hatte, eine große Düte mit Zuckerwerk aus der Tasche zog und dem Kinde reichte, war das letzte Bedenken der Moidi besiegt. Zwar bei einem Vergleich mit dem Hirzer-Joseph mußte des Wolfharts Franz den Kürzeren ziehen. Sein flaches, rundes, behagliches Gesicht, mit weißblonden Haaren eingerahmt, erinnerte stark an die Madonnenbilder, die, wie durch die Schablone gemalt, an Häusern, Thorwegen und vollends in den Kirchen zahlreich begegnen. Aber die Moidi besaß Schwarz genug, um in seine übermäßige Helle Schatten zu werfen, und schien nicht zum Wenigsten gerade durch die Werbung des Blonden sich geehrt zu fühlen. Nach dem raschen, durchaus geschäftsmäßigen Gang, den diese Dinge hier nehmen, zog der Franz schon vier Wochen später als junger Ehemann in das Haus seiner Neuvermählten auf dem Küchelberg, und damit war zum zweiten Mal das wieder erwachte Gerede über die Schicksale der schwarzen Moidi verstummt und verschallt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/41
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/41>, abgerufen am 27.11.2024.