Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

in die alte lustige Laune brachte. Auch die Heimlichkeit des schattigen Verstecks reizte ihren Muthwillen, und er, der einsilbig, aber nicht mehr unmuthig, sie gewähren ließ, verwandte kein Auge von ihr. Endlich setzte sie sich gar den schweren Saltnerhut auf, nahm den Spieß in die Hand und ging mit großen Schritten die Laubengasse hinauf und hinunter, mit der Linken die beiden Fuchsschwänze unter dem Kinn zusammenhaltend, daß ihr Gesicht ganz davon eingerahmt war. Andree, sagte sie, mich sollten sie schon fürchten, mein ich, und wenn die Mutter nicht wär', käm' ich alle Nacht zu dir und wachte den Saltner, während du dich hinlegtest, ein paar Stunden zu schlafen. Ich wollt' die Spitzbuben, die Soldaten, schon in Respect halten, gelt?

Der Jüngling lachte zum ersten Mal. Als sie sah, daß sie das Eis seines Trübsinns gebrochen hatte, kam sie rasch zu ihm, setzte Hut und Hellebarde beiseit und sagte, dicht neben ihm im Grase kauernd: Nun schau, Andree, tausendmal hübscher bist du, wenn du auch einmal lachst, wie andere Buben, als so alleweil Falten in die Stirn ziehst und dreinschaust wie unser Herr Christus am Kreuz. Bist du nicht ein junger lebfrischer Bub und brauchst dich von Niemand in Sack stecken zu lassen? Mit der Mutter -- ja, das ist freilich eine leide Geschicht', aber du hast doch keine Schuld daran, das wissen alle Leut', und um mich brauchst du dich auch nicht zu grämen, ich komm' zu dir, so oft ich kann, und vor mir darf die Mutter kein

in die alte lustige Laune brachte. Auch die Heimlichkeit des schattigen Verstecks reizte ihren Muthwillen, und er, der einsilbig, aber nicht mehr unmuthig, sie gewähren ließ, verwandte kein Auge von ihr. Endlich setzte sie sich gar den schweren Saltnerhut auf, nahm den Spieß in die Hand und ging mit großen Schritten die Laubengasse hinauf und hinunter, mit der Linken die beiden Fuchsschwänze unter dem Kinn zusammenhaltend, daß ihr Gesicht ganz davon eingerahmt war. Andree, sagte sie, mich sollten sie schon fürchten, mein ich, und wenn die Mutter nicht wär', käm' ich alle Nacht zu dir und wachte den Saltner, während du dich hinlegtest, ein paar Stunden zu schlafen. Ich wollt' die Spitzbuben, die Soldaten, schon in Respect halten, gelt?

Der Jüngling lachte zum ersten Mal. Als sie sah, daß sie das Eis seines Trübsinns gebrochen hatte, kam sie rasch zu ihm, setzte Hut und Hellebarde beiseit und sagte, dicht neben ihm im Grase kauernd: Nun schau, Andree, tausendmal hübscher bist du, wenn du auch einmal lachst, wie andere Buben, als so alleweil Falten in die Stirn ziehst und dreinschaust wie unser Herr Christus am Kreuz. Bist du nicht ein junger lebfrischer Bub und brauchst dich von Niemand in Sack stecken zu lassen? Mit der Mutter — ja, das ist freilich eine leide Geschicht', aber du hast doch keine Schuld daran, das wissen alle Leut', und um mich brauchst du dich auch nicht zu grämen, ich komm' zu dir, so oft ich kann, und vor mir darf die Mutter kein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0024"/>
in die alte lustige Laune brachte. Auch die Heimlichkeit des schattigen     Verstecks reizte ihren Muthwillen, und er, der einsilbig, aber nicht mehr unmuthig, sie gewähren     ließ, verwandte kein Auge von ihr. Endlich setzte sie sich gar den schweren Saltnerhut auf, nahm     den Spieß in die Hand und ging mit großen Schritten die Laubengasse hinauf und hinunter, mit der     Linken die beiden Fuchsschwänze unter dem Kinn zusammenhaltend, daß ihr Gesicht ganz davon     eingerahmt war. Andree, sagte sie, mich sollten sie schon fürchten, mein ich, und wenn die     Mutter nicht wär', käm' ich alle Nacht zu dir und wachte den Saltner, während du dich     hinlegtest, ein paar Stunden zu schlafen. Ich wollt' die Spitzbuben, die Soldaten, schon in     Respect halten, gelt?</p><lb/>
        <p>Der Jüngling lachte zum ersten Mal. Als sie sah, daß sie das Eis seines Trübsinns gebrochen     hatte, kam sie rasch zu ihm, setzte Hut und Hellebarde beiseit und sagte, dicht neben ihm im     Grase kauernd: Nun schau, Andree, tausendmal hübscher bist du, wenn du auch einmal lachst, wie     andere Buben, als so alleweil Falten in die Stirn ziehst und dreinschaust wie unser Herr     Christus am Kreuz. Bist du nicht ein junger lebfrischer Bub und brauchst dich von Niemand in     Sack stecken zu lassen? Mit der Mutter &#x2014; ja, das ist freilich eine leide Geschicht', aber du     hast doch keine Schuld daran, das wissen alle Leut', und um mich brauchst du dich auch nicht zu     grämen, ich komm' zu dir, so oft ich kann, und vor mir darf die Mutter kein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0024] in die alte lustige Laune brachte. Auch die Heimlichkeit des schattigen Verstecks reizte ihren Muthwillen, und er, der einsilbig, aber nicht mehr unmuthig, sie gewähren ließ, verwandte kein Auge von ihr. Endlich setzte sie sich gar den schweren Saltnerhut auf, nahm den Spieß in die Hand und ging mit großen Schritten die Laubengasse hinauf und hinunter, mit der Linken die beiden Fuchsschwänze unter dem Kinn zusammenhaltend, daß ihr Gesicht ganz davon eingerahmt war. Andree, sagte sie, mich sollten sie schon fürchten, mein ich, und wenn die Mutter nicht wär', käm' ich alle Nacht zu dir und wachte den Saltner, während du dich hinlegtest, ein paar Stunden zu schlafen. Ich wollt' die Spitzbuben, die Soldaten, schon in Respect halten, gelt? Der Jüngling lachte zum ersten Mal. Als sie sah, daß sie das Eis seines Trübsinns gebrochen hatte, kam sie rasch zu ihm, setzte Hut und Hellebarde beiseit und sagte, dicht neben ihm im Grase kauernd: Nun schau, Andree, tausendmal hübscher bist du, wenn du auch einmal lachst, wie andere Buben, als so alleweil Falten in die Stirn ziehst und dreinschaust wie unser Herr Christus am Kreuz. Bist du nicht ein junger lebfrischer Bub und brauchst dich von Niemand in Sack stecken zu lassen? Mit der Mutter — ja, das ist freilich eine leide Geschicht', aber du hast doch keine Schuld daran, das wissen alle Leut', und um mich brauchst du dich auch nicht zu grämen, ich komm' zu dir, so oft ich kann, und vor mir darf die Mutter kein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/24
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/24>, abgerufen am 24.11.2024.