Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Allem, wie ich's getragen hatte in der Nacht, als ich von Goyen wegfloh; denn die Sachen, die dem Franz gehörten, hatte ich noch immer nicht wieder zurückgeschickt. Da lachte sie erst über die Maßen und sagte, ich gefiele ihr viel besser so, als in dem langen Klosterrock, und wir aßen zusammen aus, was ich heimlich mitgenommen hatte. Dann aber wurde sie auf einmal still, und ich mußte ihr wohl ganz besonders vorkommen, denn sie nahm mich scharf ins Gebet, und als ich endlich in meiner Herzensfreude damit herausplatzte, ich würde nimmermehr in die Kutte zurückkriechen, auch gar nicht Wallfahrten gehen, sondern sie als mein Weib in die weite Welt entführen, erschrak sie gewaltig und fing heftig an zu weinen. Ich aber gab ihr die besten Worte und blieb ganz ruhig, damit sie nur nicht wieder einen Anfall bekäme von ihren alten Krämpfen; und so, während ihr die Thränen immer langsamer flössen, setzte ich ihr auseinander, daß es gar nicht anginge, erst wieder nach Meran zu gehen und bei Pontius und Pilatus anzufragen, ob sie auch nichts dagegen hätten. Das gäbe einen noch viel größeren Lärm, als wenn wir gar nicht wiederkämen, und wenn wir endlich doch einmal das Heimweh nach unserm Häusel erleiden sollten und kämen in Meran wieder zum Vorschein als Mann und Frau, so müßten's eben Alle hinnehmen, wie's wäre. Sie sollt' nur einmal an den alten Hirzer denken und den Franz, wie die aufbegehren würden, wenn ich plötzlich vor sie hinträte und sagte: die Moidi Allem, wie ich's getragen hatte in der Nacht, als ich von Goyen wegfloh; denn die Sachen, die dem Franz gehörten, hatte ich noch immer nicht wieder zurückgeschickt. Da lachte sie erst über die Maßen und sagte, ich gefiele ihr viel besser so, als in dem langen Klosterrock, und wir aßen zusammen aus, was ich heimlich mitgenommen hatte. Dann aber wurde sie auf einmal still, und ich mußte ihr wohl ganz besonders vorkommen, denn sie nahm mich scharf ins Gebet, und als ich endlich in meiner Herzensfreude damit herausplatzte, ich würde nimmermehr in die Kutte zurückkriechen, auch gar nicht Wallfahrten gehen, sondern sie als mein Weib in die weite Welt entführen, erschrak sie gewaltig und fing heftig an zu weinen. Ich aber gab ihr die besten Worte und blieb ganz ruhig, damit sie nur nicht wieder einen Anfall bekäme von ihren alten Krämpfen; und so, während ihr die Thränen immer langsamer flössen, setzte ich ihr auseinander, daß es gar nicht anginge, erst wieder nach Meran zu gehen und bei Pontius und Pilatus anzufragen, ob sie auch nichts dagegen hätten. Das gäbe einen noch viel größeren Lärm, als wenn wir gar nicht wiederkämen, und wenn wir endlich doch einmal das Heimweh nach unserm Häusel erleiden sollten und kämen in Meran wieder zum Vorschein als Mann und Frau, so müßten's eben Alle hinnehmen, wie's wäre. Sie sollt' nur einmal an den alten Hirzer denken und den Franz, wie die aufbegehren würden, wenn ich plötzlich vor sie hinträte und sagte: die Moidi <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0111"/> Allem, wie ich's getragen hatte in der Nacht, als ich von Goyen wegfloh; denn die Sachen, die dem Franz gehörten, hatte ich noch immer nicht wieder zurückgeschickt. Da lachte sie erst über die Maßen und sagte, ich gefiele ihr viel besser so, als in dem langen Klosterrock, und wir aßen zusammen aus, was ich heimlich mitgenommen hatte. Dann aber wurde sie auf einmal still, und ich mußte ihr wohl ganz besonders vorkommen, denn sie nahm mich scharf ins Gebet, und als ich endlich in meiner Herzensfreude damit herausplatzte, ich würde nimmermehr in die Kutte zurückkriechen, auch gar nicht Wallfahrten gehen, sondern sie als mein Weib in die weite Welt entführen, erschrak sie gewaltig und fing heftig an zu weinen. Ich aber gab ihr die besten Worte und blieb ganz ruhig, damit sie nur nicht wieder einen Anfall bekäme von ihren alten Krämpfen; und so, während ihr die Thränen immer langsamer flössen, setzte ich ihr auseinander, daß es gar nicht anginge, erst wieder nach Meran zu gehen und bei Pontius und Pilatus anzufragen, ob sie auch nichts dagegen hätten. Das gäbe einen noch viel größeren Lärm, als wenn wir gar nicht wiederkämen, und wenn wir endlich doch einmal das Heimweh nach unserm Häusel erleiden sollten und kämen in Meran wieder zum Vorschein als Mann und Frau, so müßten's eben Alle hinnehmen, wie's wäre. Sie sollt' nur einmal an den alten Hirzer denken und den Franz, wie die aufbegehren würden, wenn ich plötzlich vor sie hinträte und sagte: die Moidi<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0111]
Allem, wie ich's getragen hatte in der Nacht, als ich von Goyen wegfloh; denn die Sachen, die dem Franz gehörten, hatte ich noch immer nicht wieder zurückgeschickt. Da lachte sie erst über die Maßen und sagte, ich gefiele ihr viel besser so, als in dem langen Klosterrock, und wir aßen zusammen aus, was ich heimlich mitgenommen hatte. Dann aber wurde sie auf einmal still, und ich mußte ihr wohl ganz besonders vorkommen, denn sie nahm mich scharf ins Gebet, und als ich endlich in meiner Herzensfreude damit herausplatzte, ich würde nimmermehr in die Kutte zurückkriechen, auch gar nicht Wallfahrten gehen, sondern sie als mein Weib in die weite Welt entführen, erschrak sie gewaltig und fing heftig an zu weinen. Ich aber gab ihr die besten Worte und blieb ganz ruhig, damit sie nur nicht wieder einen Anfall bekäme von ihren alten Krämpfen; und so, während ihr die Thränen immer langsamer flössen, setzte ich ihr auseinander, daß es gar nicht anginge, erst wieder nach Meran zu gehen und bei Pontius und Pilatus anzufragen, ob sie auch nichts dagegen hätten. Das gäbe einen noch viel größeren Lärm, als wenn wir gar nicht wiederkämen, und wenn wir endlich doch einmal das Heimweh nach unserm Häusel erleiden sollten und kämen in Meran wieder zum Vorschein als Mann und Frau, so müßten's eben Alle hinnehmen, wie's wäre. Sie sollt' nur einmal an den alten Hirzer denken und den Franz, wie die aufbegehren würden, wenn ich plötzlich vor sie hinträte und sagte: die Moidi
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Zitationshilfe: | Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/111>, abgerufen am 16.02.2025. |