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Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sonst in der Nähe des Zehnuhrmessers sich nicht gern versündigte. Dem Sohn befahl er, gleich morgenden Tags sich aufzumachen und um eine reiche junge Wittwe in der Nachbarschaft zu freien, deren Güter ihm gerade bequem lagen. Franz nahm die Sache nicht so kaltblütig auf. Die Moidi hatte es ihm wirklich angethan; sie war der einzige Gedanke, der seine träge Natur jemals in Flammen gebracht hatte. Also ließ er den Befehl des Vaters einstweilen aus sich beruhen und lüstete seinen Grimm auf alle erdenkliche Art, so daß die seinigen viel Noth mit ihm hatten. Die Tante Anna verschwand auf mehrere Tage in ihrer Kammer, legte Trauerkleider an, denn es stand ihr fest, daß die Beiden verunglückt seien, wo sie nicht gar Hand an sich selbst gelegt hätten, und so weinte sie Tag und Nacht und wollte Niemand sehen, als den hochwürdigen Herrn und die Rosine. Mit dieser stillen Dulderin saß sie schlaflose Nächte hindurch am Herde, einen Rosenkranz zwischen den blassen Fingern, halb im Gebet, halb im Gespräch die Stunden hinbringend. Das Mädchen allein blieb steif und fest dabei, daß die Beiden noch am Leben seien, und suchte es der Tante immer wieder glaubhaft zu machen. Daß sie freilich je wiederkommen würden, hatte sie seit dem Abschied im Vintschgau keinen Augenblick mehr geglaubt.

Am gelassensten blieb, trotz seiner alten seelsorgenden Freundschaft, der kleine geistliche Herr. Ja

sonst in der Nähe des Zehnuhrmessers sich nicht gern versündigte. Dem Sohn befahl er, gleich morgenden Tags sich aufzumachen und um eine reiche junge Wittwe in der Nachbarschaft zu freien, deren Güter ihm gerade bequem lagen. Franz nahm die Sache nicht so kaltblütig auf. Die Moidi hatte es ihm wirklich angethan; sie war der einzige Gedanke, der seine träge Natur jemals in Flammen gebracht hatte. Also ließ er den Befehl des Vaters einstweilen aus sich beruhen und lüstete seinen Grimm auf alle erdenkliche Art, so daß die seinigen viel Noth mit ihm hatten. Die Tante Anna verschwand auf mehrere Tage in ihrer Kammer, legte Trauerkleider an, denn es stand ihr fest, daß die Beiden verunglückt seien, wo sie nicht gar Hand an sich selbst gelegt hätten, und so weinte sie Tag und Nacht und wollte Niemand sehen, als den hochwürdigen Herrn und die Rosine. Mit dieser stillen Dulderin saß sie schlaflose Nächte hindurch am Herde, einen Rosenkranz zwischen den blassen Fingern, halb im Gebet, halb im Gespräch die Stunden hinbringend. Das Mädchen allein blieb steif und fest dabei, daß die Beiden noch am Leben seien, und suchte es der Tante immer wieder glaubhaft zu machen. Daß sie freilich je wiederkommen würden, hatte sie seit dem Abschied im Vintschgau keinen Augenblick mehr geglaubt.

Am gelassensten blieb, trotz seiner alten seelsorgenden Freundschaft, der kleine geistliche Herr. Ja

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[0103] sonst in der Nähe des Zehnuhrmessers sich nicht gern versündigte. Dem Sohn befahl er, gleich morgenden Tags sich aufzumachen und um eine reiche junge Wittwe in der Nachbarschaft zu freien, deren Güter ihm gerade bequem lagen. Franz nahm die Sache nicht so kaltblütig auf. Die Moidi hatte es ihm wirklich angethan; sie war der einzige Gedanke, der seine träge Natur jemals in Flammen gebracht hatte. Also ließ er den Befehl des Vaters einstweilen aus sich beruhen und lüstete seinen Grimm auf alle erdenkliche Art, so daß die seinigen viel Noth mit ihm hatten. Die Tante Anna verschwand auf mehrere Tage in ihrer Kammer, legte Trauerkleider an, denn es stand ihr fest, daß die Beiden verunglückt seien, wo sie nicht gar Hand an sich selbst gelegt hätten, und so weinte sie Tag und Nacht und wollte Niemand sehen, als den hochwürdigen Herrn und die Rosine. Mit dieser stillen Dulderin saß sie schlaflose Nächte hindurch am Herde, einen Rosenkranz zwischen den blassen Fingern, halb im Gebet, halb im Gespräch die Stunden hinbringend. Das Mädchen allein blieb steif und fest dabei, daß die Beiden noch am Leben seien, und suchte es der Tante immer wieder glaubhaft zu machen. Daß sie freilich je wiederkommen würden, hatte sie seit dem Abschied im Vintschgau keinen Augenblick mehr geglaubt. Am gelassensten blieb, trotz seiner alten seelsorgenden Freundschaft, der kleine geistliche Herr. Ja

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/103>, abgerufen am 25.11.2024.