Coulissen. Mit einem Sprung war sie auf der Bühne und stand mit glühenden Wangen und erzürntem Blick gerade vor dem, der ihr so bösen Leumund machte.
Schämst du dich nicht, Adam, rief sie mitten in seine Rede hinein, schämst du dich nicht, so vor aller Ohren von deinem Eheweib zu reden? O hät¬ test du mich je nur ein armes Bischen lieb gehabt, du hättest die Rede nicht über die Lippen gebracht. Und nun sag, hab' ich's um dich verdient? hab' ich dir Eine böse Stunde gemacht, dir nicht Alles an den Augen abgesehn? Und sprichst nun schlecht von mir vor ganz Arras?
So zornig und traurig unter Weinen und Schluch¬ zen eiferte das arme Weib. Die Zuhörer, die zuerst dachten, das gehöre zum Stück, lachten, je nachdem sie boshaft genug waren, sich an ihrer Nachbarn ehe¬ lichem Unfrieden zu ergötzen. Wie sie aber sahen, daß es die leibhaftige Marion war, verging denn doch auch den Aergsten die Laune und sie starrten be¬ troffen auf die Bühne. Adam aber, so sehr ihn der Handel verdroß, faßte sich doch geschwind und rief laut und unerschrocken: Ihr guten Bürger, das ge¬ hört nicht zum Spiel. Die Frau kommt da ins Stück hereingeschneit und findet sich gar nicht im Personal. Ich bitt' euch, bringe sie einer weg. Ihr hört, sie spricht nicht einmal in Versen, wie doch alle Perso¬
6 *
Couliſſen. Mit einem Sprung war ſie auf der Bühne und ſtand mit glühenden Wangen und erzürntem Blick gerade vor dem, der ihr ſo böſen Leumund machte.
Schämſt du dich nicht, Adam, rief ſie mitten in ſeine Rede hinein, ſchämſt du dich nicht, ſo vor aller Ohren von deinem Eheweib zu reden? O hät¬ teſt du mich je nur ein armes Bischen lieb gehabt, du hätteſt die Rede nicht über die Lippen gebracht. Und nun ſag, hab' ich's um dich verdient? hab' ich dir Eine böſe Stunde gemacht, dir nicht Alles an den Augen abgeſehn? Und ſprichſt nun ſchlecht von mir vor ganz Arras?
So zornig und traurig unter Weinen und Schluch¬ zen eiferte das arme Weib. Die Zuhörer, die zuerſt dachten, das gehöre zum Stück, lachten, je nachdem ſie boshaft genug waren, ſich an ihrer Nachbarn ehe¬ lichem Unfrieden zu ergötzen. Wie ſie aber ſahen, daß es die leibhaftige Marion war, verging denn doch auch den Aergſten die Laune und ſie ſtarrten be¬ troffen auf die Bühne. Adam aber, ſo ſehr ihn der Handel verdroß, faßte ſich doch geſchwind und rief laut und unerſchrocken: Ihr guten Bürger, das ge¬ hört nicht zum Spiel. Die Frau kommt da ins Stück hereingeſchneit und findet ſich gar nicht im Perſonal. Ich bitt' euch, bringe ſie einer weg. Ihr hört, ſie ſpricht nicht einmal in Verſen, wie doch alle Perſo¬
6 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0095"n="83"/>
Couliſſen. Mit einem Sprung war ſie auf der Bühne<lb/>
und ſtand mit glühenden Wangen und erzürntem<lb/>
Blick gerade vor dem, der ihr ſo böſen Leumund<lb/>
machte.</p><lb/><p>Schämſt du dich nicht, Adam, rief ſie mitten in<lb/>ſeine Rede hinein, ſchämſt du dich nicht, ſo vor<lb/>
aller Ohren von deinem Eheweib zu reden? O hät¬<lb/>
teſt du mich je nur ein armes Bischen lieb gehabt,<lb/>
du hätteſt die Rede nicht über die Lippen gebracht.<lb/>
Und nun ſag, hab' ich's um dich verdient? hab' ich<lb/>
dir Eine böſe Stunde gemacht, dir nicht Alles an<lb/>
den Augen abgeſehn? Und ſprichſt nun ſchlecht von<lb/>
mir vor ganz Arras?</p><lb/><p>So zornig und traurig unter Weinen und Schluch¬<lb/>
zen eiferte das arme Weib. Die Zuhörer, die zuerſt<lb/>
dachten, das gehöre zum Stück, lachten, je nachdem<lb/>ſie boshaft genug waren, ſich an ihrer Nachbarn ehe¬<lb/>
lichem Unfrieden zu ergötzen. Wie ſie aber ſahen,<lb/>
daß es die leibhaftige Marion war, verging denn<lb/>
doch auch den Aergſten die Laune und ſie ſtarrten be¬<lb/>
troffen auf die Bühne. Adam aber, ſo ſehr ihn der<lb/>
Handel verdroß, faßte ſich doch geſchwind und rief<lb/>
laut und unerſchrocken: Ihr guten Bürger, das ge¬<lb/>
hört nicht zum Spiel. Die Frau kommt da ins Stück<lb/>
hereingeſchneit und findet ſich gar nicht im Perſonal.<lb/>
Ich bitt' euch, bringe ſie einer weg. Ihr hört, ſie<lb/>ſpricht nicht einmal in Verſen, wie doch alle Perſo¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">6 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[83/0095]
Couliſſen. Mit einem Sprung war ſie auf der Bühne
und ſtand mit glühenden Wangen und erzürntem
Blick gerade vor dem, der ihr ſo böſen Leumund
machte.
Schämſt du dich nicht, Adam, rief ſie mitten in
ſeine Rede hinein, ſchämſt du dich nicht, ſo vor
aller Ohren von deinem Eheweib zu reden? O hät¬
teſt du mich je nur ein armes Bischen lieb gehabt,
du hätteſt die Rede nicht über die Lippen gebracht.
Und nun ſag, hab' ich's um dich verdient? hab' ich
dir Eine böſe Stunde gemacht, dir nicht Alles an
den Augen abgeſehn? Und ſprichſt nun ſchlecht von
mir vor ganz Arras?
So zornig und traurig unter Weinen und Schluch¬
zen eiferte das arme Weib. Die Zuhörer, die zuerſt
dachten, das gehöre zum Stück, lachten, je nachdem
ſie boshaft genug waren, ſich an ihrer Nachbarn ehe¬
lichem Unfrieden zu ergötzen. Wie ſie aber ſahen,
daß es die leibhaftige Marion war, verging denn
doch auch den Aergſten die Laune und ſie ſtarrten be¬
troffen auf die Bühne. Adam aber, ſo ſehr ihn der
Handel verdroß, faßte ſich doch geſchwind und rief
laut und unerſchrocken: Ihr guten Bürger, das ge¬
hört nicht zum Spiel. Die Frau kommt da ins Stück
hereingeſchneit und findet ſich gar nicht im Perſonal.
Ich bitt' euch, bringe ſie einer weg. Ihr hört, ſie
ſpricht nicht einmal in Verſen, wie doch alle Perſo¬
6 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/95>, abgerufen am 25.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.