Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.schien. Er konnte ihr auch manchen Rath geben und Mit Clemens hatte er innerlich nie etwas gemein ſchien. Er konnte ihr auch manchen Rath geben und Mit Clemens hatte er innerlich nie etwas gemein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0068" n="56"/> ſchien. Er konnte ihr auch manchen Rath geben und<lb/> ein Uebel, an dem ſie litt, durch ein einfaches Mittel<lb/> lindern. Denn er hatte ſich dazu vorbereitet, die<lb/> Apotheke eines alten Oheims zu übernehmen, ein<lb/> Beruf, über den ihn Anlagen und Kenntniſſe im<lb/> Grunde hinauswieſen. Doch er war von Natur be¬<lb/> quem und es war ihm recht, beizeiten auszuruhn<lb/> und zu genießen.</p><lb/> <p>Mit Clemens hatte er innerlich nie etwas gemein<lb/> gehabt. Und ſo fühlte er ſich auch gleich beim Ein¬<lb/> tritt in das Pfarrhaus in einer durchaus fremden<lb/> Luft und hätte nach der nothdürftigſten Erholung<lb/> gewiß eine Umgebung verlaſſen, die ihn engte und<lb/> beſchränkte, wäre ihm das blinde Mädchen nicht beim<lb/> erſten Blick als ein merkwürdiges Räthſel aufgefallen.<lb/> Sie hielt ſich zwar von ihm zurück, ſo viel ſie konnte.<lb/> Als er ihr das erſte Mal die Hand gegeben, hatte<lb/> ſie ſie mit unbegreiflicher Unruhe ihm wieder entzogen<lb/> und all ihre Unbefangenheit verloren. Dennoch war<lb/> er ſtundenlang um ſie und beobachtete ihre Art die<lb/> Dinge aufzufaſſen, forſchte mit einer munteren Rück¬<lb/> ſichtsloſigkeit, die man nicht übel nehmen konnte, nach<lb/> den Mitteln, die ihr den Verkehr mit der Außenwelt<lb/> möglich machten, und belauſchte ihre Sinne, wie ſie<lb/> ſich gegenſeitig für die Entbehrung des einen fehlen¬<lb/> den entſchädigten. Er begriff Clemens nicht, daß er<lb/> ſich ſo wenig aus ihr zu machen ſchien. Der aber<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0068]
ſchien. Er konnte ihr auch manchen Rath geben und
ein Uebel, an dem ſie litt, durch ein einfaches Mittel
lindern. Denn er hatte ſich dazu vorbereitet, die
Apotheke eines alten Oheims zu übernehmen, ein
Beruf, über den ihn Anlagen und Kenntniſſe im
Grunde hinauswieſen. Doch er war von Natur be¬
quem und es war ihm recht, beizeiten auszuruhn
und zu genießen.
Mit Clemens hatte er innerlich nie etwas gemein
gehabt. Und ſo fühlte er ſich auch gleich beim Ein¬
tritt in das Pfarrhaus in einer durchaus fremden
Luft und hätte nach der nothdürftigſten Erholung
gewiß eine Umgebung verlaſſen, die ihn engte und
beſchränkte, wäre ihm das blinde Mädchen nicht beim
erſten Blick als ein merkwürdiges Räthſel aufgefallen.
Sie hielt ſich zwar von ihm zurück, ſo viel ſie konnte.
Als er ihr das erſte Mal die Hand gegeben, hatte
ſie ſie mit unbegreiflicher Unruhe ihm wieder entzogen
und all ihre Unbefangenheit verloren. Dennoch war
er ſtundenlang um ſie und beobachtete ihre Art die
Dinge aufzufaſſen, forſchte mit einer munteren Rück¬
ſichtsloſigkeit, die man nicht übel nehmen konnte, nach
den Mitteln, die ihr den Verkehr mit der Außenwelt
möglich machten, und belauſchte ihre Sinne, wie ſie
ſich gegenſeitig für die Entbehrung des einen fehlen¬
den entſchädigten. Er begriff Clemens nicht, daß er
ſich ſo wenig aus ihr zu machen ſchien. Der aber
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