verschlang und jedes Lächeln sich bis ins Herz drin¬ gen fühlte. Er kämpfte eine Weile gegen diese Kühl¬ heit an, die ihm sehr wehe that. Es war umsonst.
Sie ward es inne, daß er etwas zu bekämpfen hatte. Aber die Gegenwart der Andern wehrte ihr, mit vertraulicher Inbrunst der Leidenschaft das Herz festzuhalten, das sich ihr entzog.
Der eine der Fremden fragte nach dem Denkmal, das dem Verstorbenen bestimmt sei. Theodor er¬ mannte sich und erzählte, daß er eben heut auf den Wunsch der Eltern die Arbeit einem Freunde über¬ tragen habe, von dessen Wesen und Schicksalen er kurz die Umrisse hinwarf. Mariens Eltern wußten mehr von ihm. Den Fremden aber schien das zer¬ stückte Bild nicht anzusprechen.
Es wäre zu wünschen, sagte er, daß dieser Mann einen Hauch von Edwards inniger Natur in sich selber spürte, daß er die zarte Gestalt unseres Theuern und sein kurzes gesegnetes Leben in sich aufnehmen könnte, wie etwas Geliebtes. Er scheint, wie Ihr ihn schildert, ein heftiger starrer Mensch, dem nichts verschlossner sein muß, als diese Art unsers Edward, nur für die Seinen zu leben, den letzten Athemzug zu einem Glückwunsch für seine Geliebten zu machen.
Er ist rauh und energisch, erwiederte Theodor, aber das Schöne rührt ihn und das Edelste nimmt er mit Scheu und Ehrfurcht auf. Ich sah es, als
verſchlang und jedes Lächeln ſich bis ins Herz drin¬ gen fühlte. Er kämpfte eine Weile gegen dieſe Kühl¬ heit an, die ihm ſehr wehe that. Es war umſonſt.
Sie ward es inne, daß er etwas zu bekämpfen hatte. Aber die Gegenwart der Andern wehrte ihr, mit vertraulicher Inbrunſt der Leidenſchaft das Herz feſtzuhalten, das ſich ihr entzog.
Der eine der Fremden fragte nach dem Denkmal, das dem Verſtorbenen beſtimmt ſei. Theodor er¬ mannte ſich und erzählte, daß er eben heut auf den Wunſch der Eltern die Arbeit einem Freunde über¬ tragen habe, von deſſen Weſen und Schickſalen er kurz die Umriſſe hinwarf. Mariens Eltern wußten mehr von ihm. Den Fremden aber ſchien das zer¬ ſtückte Bild nicht anzuſprechen.
Es wäre zu wünſchen, ſagte er, daß dieſer Mann einen Hauch von Edwards inniger Natur in ſich ſelber ſpürte, daß er die zarte Geſtalt unſeres Theuern und ſein kurzes geſegnetes Leben in ſich aufnehmen könnte, wie etwas Geliebtes. Er ſcheint, wie Ihr ihn ſchildert, ein heftiger ſtarrer Menſch, dem nichts verſchloſſner ſein muß, als dieſe Art unſers Edward, nur für die Seinen zu leben, den letzten Athemzug zu einem Glückwunſch für ſeine Geliebten zu machen.
Er iſt rauh und energiſch, erwiederte Theodor, aber das Schöne rührt ihn und das Edelſte nimmt er mit Scheu und Ehrfurcht auf. Ich ſah es, als
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verſchlang und jedes Lächeln ſich bis ins Herz drin¬
gen fühlte. Er kämpfte eine Weile gegen dieſe Kühl¬
heit an, die ihm ſehr wehe that. Es war umſonſt.
Sie ward es inne, daß er etwas zu bekämpfen
hatte. Aber die Gegenwart der Andern wehrte ihr,
mit vertraulicher Inbrunſt der Leidenſchaft das Herz
feſtzuhalten, das ſich ihr entzog.
Der eine der Fremden fragte nach dem Denkmal,
das dem Verſtorbenen beſtimmt ſei. Theodor er¬
mannte ſich und erzählte, daß er eben heut auf den
Wunſch der Eltern die Arbeit einem Freunde über¬
tragen habe, von deſſen Weſen und Schickſalen er
kurz die Umriſſe hinwarf. Mariens Eltern wußten
mehr von ihm. Den Fremden aber ſchien das zer¬
ſtückte Bild nicht anzuſprechen.
Es wäre zu wünſchen, ſagte er, daß dieſer Mann
einen Hauch von Edwards inniger Natur in ſich
ſelber ſpürte, daß er die zarte Geſtalt unſeres Theuern
und ſein kurzes geſegnetes Leben in ſich aufnehmen
könnte, wie etwas Geliebtes. Er ſcheint, wie Ihr
ihn ſchildert, ein heftiger ſtarrer Menſch, dem nichts
verſchloſſner ſein muß, als dieſe Art unſers Edward,
nur für die Seinen zu leben, den letzten Athemzug
zu einem Glückwunſch für ſeine Geliebten zu machen.
Er iſt rauh und energiſch, erwiederte Theodor,
aber das Schöne rührt ihn und das Edelſte nimmt
er mit Scheu und Ehrfurcht auf. Ich ſah es, als
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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/192>, abgerufen am 25.07.2024.
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