Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyking, Elisabeth von: Zwei Erzählungen. Leipzig, [1918].

Bild:
<< vorherige Seite

erschienen diese Gefilde inmitten von Dorothees übriger etwas frostig zierlichen Welt, unwahrscheinlicher noch waren die Figuren, die die Bilder belebten. Ein schöner schwarzäugiger Jüngling, im Barett mit wehender Feder, langen seidenen Strümpfen und samtenem Wamse spielte die Laute unter Bäumen, in deren tiefgrünem Laube weiße Blüten leuchteten und zugleich goldene Früchte glühten. Süß lächelnde Frauen in golddurchwirkten Gewändern, mit glitzerndem Geschmeide auf dem tief entblößten Busen, blickten herab von hohen, mit leuchtenden Teppichen behangenen Balkonen, spielten verträumt mit bunten Papageien und kleinen listig grinsenden Äffchen. Scharen Vermummter, mit schwarzen Masken, drängten schäkernd über einen von Arkaden umgebenen Platz, der wie ein ungeheurer Festsaal wirkte. Mohren trugen güldene Schüsseln zu großen Gelagen, seltsame Zwerge mit roten Schellenkappen lugten verstohlen aus Säulengängen.

Den Märchensaal hatte Dorothee, als sie klein war, den Raum genannt, und etwas Irreales, dem kühlen nordischen Alltag Entrücktes hatte er wirklich. Er wurde auch nur bei besonderen Anlässen benützt, wenn so viel Gäste aus den benachbarten Gütern zu Besuch kamen, daß das gewöhnliche Eßzimmer nicht ausreichte, oder zu Weihnachten und anderen großen Festen. Eine Bewunderung, die zugleich Scheu war, empfand Dorothee vor dem Saale. Er hatte für sie etwas, das die Vertraulichkeit bannte. Wie es ja auch, als sie klein gewesen, Puppen gegeben hatte, mit denen es sich nicht

erschienen diese Gefilde inmitten von Dorothees übriger etwas frostig zierlichen Welt, unwahrscheinlicher noch waren die Figuren, die die Bilder belebten. Ein schöner schwarzäugiger Jüngling, im Barett mit wehender Feder, langen seidenen Strümpfen und samtenem Wamse spielte die Laute unter Bäumen, in deren tiefgrünem Laube weiße Blüten leuchteten und zugleich goldene Früchte glühten. Süß lächelnde Frauen in golddurchwirkten Gewändern, mit glitzerndem Geschmeide auf dem tief entblößten Busen, blickten herab von hohen, mit leuchtenden Teppichen behangenen Balkonen, spielten verträumt mit bunten Papageien und kleinen listig grinsenden Äffchen. Scharen Vermummter, mit schwarzen Masken, drängten schäkernd über einen von Arkaden umgebenen Platz, der wie ein ungeheurer Festsaal wirkte. Mohren trugen güldene Schüsseln zu großen Gelagen, seltsame Zwerge mit roten Schellenkappen lugten verstohlen aus Säulengängen.

Den Märchensaal hatte Dorothee, als sie klein war, den Raum genannt, und etwas Irreales, dem kühlen nordischen Alltag Entrücktes hatte er wirklich. Er wurde auch nur bei besonderen Anlässen benützt, wenn so viel Gäste aus den benachbarten Gütern zu Besuch kamen, daß das gewöhnliche Eßzimmer nicht ausreichte, oder zu Weihnachten und anderen großen Festen. Eine Bewunderung, die zugleich Scheu war, empfand Dorothee vor dem Saale. Er hatte für sie etwas, das die Vertraulichkeit bannte. Wie es ja auch, als sie klein gewesen, Puppen gegeben hatte, mit denen es sich nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="75"/>
erschienen diese Gefilde inmitten von Dorothees übriger etwas frostig zierlichen Welt, unwahrscheinlicher noch waren die Figuren, die die Bilder belebten. Ein schöner schwarzäugiger Jüngling, im Barett mit wehender Feder, langen seidenen Strümpfen und samtenem Wamse spielte die Laute unter Bäumen, in deren tiefgrünem Laube weiße Blüten leuchteten und zugleich goldene Früchte glühten. Süß lächelnde Frauen in golddurchwirkten Gewändern, mit glitzerndem Geschmeide auf dem tief entblößten Busen, blickten herab von hohen, mit leuchtenden Teppichen behangenen Balkonen, spielten verträumt mit bunten Papageien und kleinen listig grinsenden Äffchen. Scharen Vermummter, mit schwarzen Masken, drängten schäkernd über einen von Arkaden umgebenen Platz, der wie ein ungeheurer Festsaal wirkte. Mohren trugen güldene Schüsseln zu großen Gelagen, seltsame Zwerge mit roten Schellenkappen lugten verstohlen aus Säulengängen.</p>
        <p>Den Märchensaal hatte Dorothee, als sie klein war, den Raum genannt, und etwas Irreales, dem kühlen nordischen Alltag Entrücktes hatte er wirklich. Er wurde auch nur bei besonderen Anlässen benützt, wenn so viel Gäste aus den benachbarten Gütern zu Besuch kamen, daß das gewöhnliche Eßzimmer nicht ausreichte, oder zu Weihnachten und anderen großen Festen. Eine Bewunderung, die zugleich Scheu war, empfand Dorothee vor dem Saale. Er hatte für sie etwas, das die Vertraulichkeit bannte. Wie es ja auch, als sie klein gewesen, Puppen gegeben hatte, mit denen es sich nicht
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0077] erschienen diese Gefilde inmitten von Dorothees übriger etwas frostig zierlichen Welt, unwahrscheinlicher noch waren die Figuren, die die Bilder belebten. Ein schöner schwarzäugiger Jüngling, im Barett mit wehender Feder, langen seidenen Strümpfen und samtenem Wamse spielte die Laute unter Bäumen, in deren tiefgrünem Laube weiße Blüten leuchteten und zugleich goldene Früchte glühten. Süß lächelnde Frauen in golddurchwirkten Gewändern, mit glitzerndem Geschmeide auf dem tief entblößten Busen, blickten herab von hohen, mit leuchtenden Teppichen behangenen Balkonen, spielten verträumt mit bunten Papageien und kleinen listig grinsenden Äffchen. Scharen Vermummter, mit schwarzen Masken, drängten schäkernd über einen von Arkaden umgebenen Platz, der wie ein ungeheurer Festsaal wirkte. Mohren trugen güldene Schüsseln zu großen Gelagen, seltsame Zwerge mit roten Schellenkappen lugten verstohlen aus Säulengängen. Den Märchensaal hatte Dorothee, als sie klein war, den Raum genannt, und etwas Irreales, dem kühlen nordischen Alltag Entrücktes hatte er wirklich. Er wurde auch nur bei besonderen Anlässen benützt, wenn so viel Gäste aus den benachbarten Gütern zu Besuch kamen, daß das gewöhnliche Eßzimmer nicht ausreichte, oder zu Weihnachten und anderen großen Festen. Eine Bewunderung, die zugleich Scheu war, empfand Dorothee vor dem Saale. Er hatte für sie etwas, das die Vertraulichkeit bannte. Wie es ja auch, als sie klein gewesen, Puppen gegeben hatte, mit denen es sich nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-15T09:32:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-15T09:32:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-15T09:32:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyking_erzaehlungen_1918
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyking_erzaehlungen_1918/77
Zitationshilfe: Heyking, Elisabeth von: Zwei Erzählungen. Leipzig, [1918], S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyking_erzaehlungen_1918/77>, abgerufen am 26.11.2024.