Heyking, Elisabeth von: Zwei Erzählungen. Leipzig, [1918].aber nicht sonderlich von manchen der Einheimischen unterschieden; schwerfällig gutartige Leute waren es, sahen nicht auf die Art der Kost, sondern nur darauf, daß viel davon da sei. Abends, nach getaner Arbeit im Gutshof sitzend, sangen sie, ehe sie sich hinter den vergitterten Fenstern ihrer Zimmer schlafen legten, noch lange ihre schwermütigen Volksweisen, und diese klagenden Melodien erweckten den Begriff einer Fähigkeit geduldigen Leidens, so groß wie die fernen Steppen, in denen sie entstanden. Für die Ziegelei und den Garten kamen Franzosen. Nervösere, verbissenere Menschen waren das, die anfänglich anspruchsvoll aufzutreten versuchten. Verhaltenen Ingrimm merkte man ihnen an, der sich einstweilen zwar noch mürrisch gegen die siegreichen Feinde richtete, sich vielleicht aber doch schon im stillen gegen die eigenen Machthaber zu wenden begann, deren jahrelange Wühlarbeit und Verhetzung zu all dem gegenwärtigen Jammer geführt hatten. Nach einigen Schwierigkeiten mit dem Inspektor fügten sich aber auch die Verdrossensten in das Räderwerk der täglichen Aufgaben. Und auch dies war eine seltsame Wirkung des großen Wandlers, daß all diese fremden Leute in dem Lande, das zu zerstören sie einst mit klingendem Spiel ausgerückt waren, nun friedliche Arbeit taten und an dem Gedeihen seiner Saaten und Früchte mitwirken mußten. Aber auch für die beiden Enkel brachte der Frühling Veränderungen. Der Marineoffizier fuhr jetzt auf einem U-Boot, und der jüngste, der zum Fliegerdienst angenommen worden, hatte seine Ausbildung beendet aber nicht sonderlich von manchen der Einheimischen unterschieden; schwerfällig gutartige Leute waren es, sahen nicht auf die Art der Kost, sondern nur darauf, daß viel davon da sei. Abends, nach getaner Arbeit im Gutshof sitzend, sangen sie, ehe sie sich hinter den vergitterten Fenstern ihrer Zimmer schlafen legten, noch lange ihre schwermütigen Volksweisen, und diese klagenden Melodien erweckten den Begriff einer Fähigkeit geduldigen Leidens, so groß wie die fernen Steppen, in denen sie entstanden. Für die Ziegelei und den Garten kamen Franzosen. Nervösere, verbissenere Menschen waren das, die anfänglich anspruchsvoll aufzutreten versuchten. Verhaltenen Ingrimm merkte man ihnen an, der sich einstweilen zwar noch mürrisch gegen die siegreichen Feinde richtete, sich vielleicht aber doch schon im stillen gegen die eigenen Machthaber zu wenden begann, deren jahrelange Wühlarbeit und Verhetzung zu all dem gegenwärtigen Jammer geführt hatten. Nach einigen Schwierigkeiten mit dem Inspektor fügten sich aber auch die Verdrossensten in das Räderwerk der täglichen Aufgaben. Und auch dies war eine seltsame Wirkung des großen Wandlers, daß all diese fremden Leute in dem Lande, das zu zerstören sie einst mit klingendem Spiel ausgerückt waren, nun friedliche Arbeit taten und an dem Gedeihen seiner Saaten und Früchte mitwirken mußten. Aber auch für die beiden Enkel brachte der Frühling Veränderungen. Der Marineoffizier fuhr jetzt auf einem U-Boot, und der jüngste, der zum Fliegerdienst angenommen worden, hatte seine Ausbildung beendet <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057" n="55"/> aber nicht sonderlich von manchen der Einheimischen unterschieden; schwerfällig gutartige Leute waren es, sahen nicht auf die Art der Kost, sondern nur darauf, daß viel davon da sei. Abends, nach getaner Arbeit im Gutshof sitzend, sangen sie, ehe sie sich hinter den vergitterten Fenstern ihrer Zimmer schlafen legten, noch lange ihre schwermütigen Volksweisen, und diese klagenden Melodien erweckten den Begriff einer Fähigkeit geduldigen Leidens, so groß wie die fernen Steppen, in denen sie entstanden. Für die Ziegelei und den Garten kamen Franzosen. Nervösere, verbissenere Menschen waren das, die anfänglich anspruchsvoll aufzutreten versuchten. Verhaltenen Ingrimm merkte man ihnen an, der sich einstweilen zwar noch mürrisch gegen die siegreichen Feinde richtete, sich vielleicht aber doch schon im stillen gegen die eigenen Machthaber zu wenden begann, deren jahrelange Wühlarbeit und Verhetzung zu all dem gegenwärtigen Jammer geführt hatten. Nach einigen Schwierigkeiten mit dem Inspektor fügten sich aber auch die Verdrossensten in das Räderwerk der täglichen Aufgaben. Und auch dies war eine seltsame Wirkung des großen Wandlers, daß all diese fremden Leute in dem Lande, das zu zerstören sie einst mit klingendem Spiel ausgerückt waren, nun friedliche Arbeit taten und an dem Gedeihen seiner Saaten und Früchte mitwirken mußten.</p> <p>Aber auch für die beiden Enkel brachte der Frühling Veränderungen. Der Marineoffizier fuhr jetzt auf einem U-Boot, und der jüngste, der zum Fliegerdienst angenommen worden, hatte seine Ausbildung beendet </p> </div> </body> </text> </TEI> [55/0057]
aber nicht sonderlich von manchen der Einheimischen unterschieden; schwerfällig gutartige Leute waren es, sahen nicht auf die Art der Kost, sondern nur darauf, daß viel davon da sei. Abends, nach getaner Arbeit im Gutshof sitzend, sangen sie, ehe sie sich hinter den vergitterten Fenstern ihrer Zimmer schlafen legten, noch lange ihre schwermütigen Volksweisen, und diese klagenden Melodien erweckten den Begriff einer Fähigkeit geduldigen Leidens, so groß wie die fernen Steppen, in denen sie entstanden. Für die Ziegelei und den Garten kamen Franzosen. Nervösere, verbissenere Menschen waren das, die anfänglich anspruchsvoll aufzutreten versuchten. Verhaltenen Ingrimm merkte man ihnen an, der sich einstweilen zwar noch mürrisch gegen die siegreichen Feinde richtete, sich vielleicht aber doch schon im stillen gegen die eigenen Machthaber zu wenden begann, deren jahrelange Wühlarbeit und Verhetzung zu all dem gegenwärtigen Jammer geführt hatten. Nach einigen Schwierigkeiten mit dem Inspektor fügten sich aber auch die Verdrossensten in das Räderwerk der täglichen Aufgaben. Und auch dies war eine seltsame Wirkung des großen Wandlers, daß all diese fremden Leute in dem Lande, das zu zerstören sie einst mit klingendem Spiel ausgerückt waren, nun friedliche Arbeit taten und an dem Gedeihen seiner Saaten und Früchte mitwirken mußten.
Aber auch für die beiden Enkel brachte der Frühling Veränderungen. Der Marineoffizier fuhr jetzt auf einem U-Boot, und der jüngste, der zum Fliegerdienst angenommen worden, hatte seine Ausbildung beendet
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-15T09:32:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-15T09:32:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-15T09:32:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |