Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyking, Elisabeth von: Zwei Erzählungen. Leipzig, [1918].

Bild:
<< vorherige Seite

schon winkenden höchsten Preises, keine Ahnung jahrelangen, zermürbenden Kampfes in Gräben und Schlachten hatten ihn auch nur gestreift. Im vollen Glauben an brausende Unüberwindlichkeit, die sich in wenigen Wochen schon durchgesetzt haben würde, war er dahingerafft worden. Als einer der ersten. Und diese ersten Verlustnachrichten waren so erschütternd in ihrer Neuheit, wie die ersten Schläge einer Glocke, die zu langem Trauergeläut anhebt.

Ja, so rasch schon hatte sich die bange Ahnung von Großmamas Geburtstag erfüllt. Nie mehr würden sie alle zusammen, wie an jenem schon so fern scheinenden Morgen, in der Schloßkapelle der alten Orgel lauschen. Bei allem würde dieser eine nur immer fehlen. Und in der Reihe der Gedenktafeln, an dem Platz, wo Großmama stets gedacht, daß ihr Name einst eingemeißelt werden sollte, würde statt dessen nun seiner stehen. Es schien unfaßbar, daß solch frohe Jugend, die vor wenig Tagen hier noch so lebensvoll geatmet hatte, nun vernichtet sein sollte. Unfaßbar, ungeheuerlich für die, die es gerade traf, und die, geknickt von Trauer, nun zurückgeblieben - im großen Kriegsgeschehen jedoch nicht von mehr Belang, als wenn aus einer Sandwolke, die der Sturmwind vor sich herjagt, ein Stäubchen zu Boden sinkt und liegenbleibt. Nichts. Nur, daß in einem kleinen Kreise einer fortan fehlte, daß ein paar teilnehmende Worte von Kommandeur und Kameraden kamen und ein rührend-unbeholfenes Briefchen des Burschen über jenen letzten Ritt, auf dem er seinen Herrn begleitet. Dann noch das Eintreffen

schon winkenden höchsten Preises, keine Ahnung jahrelangen, zermürbenden Kampfes in Gräben und Schlachten hatten ihn auch nur gestreift. Im vollen Glauben an brausende Unüberwindlichkeit, die sich in wenigen Wochen schon durchgesetzt haben würde, war er dahingerafft worden. Als einer der ersten. Und diese ersten Verlustnachrichten waren so erschütternd in ihrer Neuheit, wie die ersten Schläge einer Glocke, die zu langem Trauergeläut anhebt.

Ja, so rasch schon hatte sich die bange Ahnung von Großmamas Geburtstag erfüllt. Nie mehr würden sie alle zusammen, wie an jenem schon so fern scheinenden Morgen, in der Schloßkapelle der alten Orgel lauschen. Bei allem würde dieser eine nur immer fehlen. Und in der Reihe der Gedenktafeln, an dem Platz, wo Großmama stets gedacht, daß ihr Name einst eingemeißelt werden sollte, würde statt dessen nun seiner stehen. Es schien unfaßbar, daß solch frohe Jugend, die vor wenig Tagen hier noch so lebensvoll geatmet hatte, nun vernichtet sein sollte. Unfaßbar, ungeheuerlich für die, die es gerade traf, und die, geknickt von Trauer, nun zurückgeblieben – im großen Kriegsgeschehen jedoch nicht von mehr Belang, als wenn aus einer Sandwolke, die der Sturmwind vor sich herjagt, ein Stäubchen zu Boden sinkt und liegenbleibt. Nichts. Nur, daß in einem kleinen Kreise einer fortan fehlte, daß ein paar teilnehmende Worte von Kommandeur und Kameraden kamen und ein rührend-unbeholfenes Briefchen des Burschen über jenen letzten Ritt, auf dem er seinen Herrn begleitet. Dann noch das Eintreffen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="32"/>
schon winkenden höchsten Preises, keine Ahnung jahrelangen, zermürbenden Kampfes in Gräben und Schlachten hatten ihn auch nur gestreift. Im vollen Glauben an brausende Unüberwindlichkeit, die sich in wenigen Wochen schon durchgesetzt haben würde, war er dahingerafft worden. Als einer der ersten. Und diese ersten Verlustnachrichten waren so erschütternd in ihrer Neuheit, wie die ersten Schläge einer Glocke, die zu langem Trauergeläut anhebt.</p>
        <p>Ja, so rasch schon hatte sich die bange Ahnung von Großmamas Geburtstag erfüllt. Nie mehr würden sie alle zusammen, wie an jenem schon so fern scheinenden Morgen, in der Schloßkapelle der alten Orgel lauschen. Bei allem würde dieser eine nur immer fehlen. Und in der Reihe der Gedenktafeln, an dem Platz, wo Großmama stets gedacht, daß ihr Name einst eingemeißelt werden sollte, würde statt dessen nun seiner stehen. Es schien unfaßbar, daß solch frohe Jugend, die vor wenig Tagen hier noch so lebensvoll geatmet hatte, nun vernichtet sein sollte. Unfaßbar, ungeheuerlich für die, die es gerade traf, und die, geknickt von Trauer, nun zurückgeblieben &#x2013; im großen Kriegsgeschehen jedoch nicht von mehr Belang, als wenn aus einer Sandwolke, die der Sturmwind vor sich herjagt, ein Stäubchen zu Boden sinkt und liegenbleibt. Nichts. Nur, daß in einem kleinen Kreise einer fortan fehlte, daß ein paar teilnehmende Worte von Kommandeur und Kameraden kamen und ein rührend-unbeholfenes Briefchen des Burschen über jenen letzten Ritt, auf dem er seinen Herrn begleitet. Dann noch das Eintreffen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0034] schon winkenden höchsten Preises, keine Ahnung jahrelangen, zermürbenden Kampfes in Gräben und Schlachten hatten ihn auch nur gestreift. Im vollen Glauben an brausende Unüberwindlichkeit, die sich in wenigen Wochen schon durchgesetzt haben würde, war er dahingerafft worden. Als einer der ersten. Und diese ersten Verlustnachrichten waren so erschütternd in ihrer Neuheit, wie die ersten Schläge einer Glocke, die zu langem Trauergeläut anhebt. Ja, so rasch schon hatte sich die bange Ahnung von Großmamas Geburtstag erfüllt. Nie mehr würden sie alle zusammen, wie an jenem schon so fern scheinenden Morgen, in der Schloßkapelle der alten Orgel lauschen. Bei allem würde dieser eine nur immer fehlen. Und in der Reihe der Gedenktafeln, an dem Platz, wo Großmama stets gedacht, daß ihr Name einst eingemeißelt werden sollte, würde statt dessen nun seiner stehen. Es schien unfaßbar, daß solch frohe Jugend, die vor wenig Tagen hier noch so lebensvoll geatmet hatte, nun vernichtet sein sollte. Unfaßbar, ungeheuerlich für die, die es gerade traf, und die, geknickt von Trauer, nun zurückgeblieben – im großen Kriegsgeschehen jedoch nicht von mehr Belang, als wenn aus einer Sandwolke, die der Sturmwind vor sich herjagt, ein Stäubchen zu Boden sinkt und liegenbleibt. Nichts. Nur, daß in einem kleinen Kreise einer fortan fehlte, daß ein paar teilnehmende Worte von Kommandeur und Kameraden kamen und ein rührend-unbeholfenes Briefchen des Burschen über jenen letzten Ritt, auf dem er seinen Herrn begleitet. Dann noch das Eintreffen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-15T09:32:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-15T09:32:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-15T09:32:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyking_erzaehlungen_1918
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyking_erzaehlungen_1918/34
Zitationshilfe: Heyking, Elisabeth von: Zwei Erzählungen. Leipzig, [1918], S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyking_erzaehlungen_1918/34>, abgerufen am 22.11.2024.